ZPO § 91 Abs. 1
Leitsatz
Werden zwei einfache Streitgenossen verklagt, steht es grundsätzlich jedem von ihnen frei, sich von einem eigenen Anwalt mit der Folge vertreten zu lassen, dass im Falle ihres Obsiegens die jedem Streitgenossenen entstandenen Anwaltskosten erstattungsfähig sind.
(Leitsatz des Bearbeiters)
BGH, Beschl. v. 3.2.2009 – VIII ZB 114/07
Sachverhalt
Die Beklagten waren Mieter einer von dem Kläger vermieteten Wohnung. Nach Beendigung des Mietverhältnisses hatte der Kläger die Beklagten, die seither in verschiedenen Städten wohnten, vor dem AG Wuppertal als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz und Nutzungsentschädigung in Anspruch genommen. Jeder Beklagte hatte sich in diesem Rechtsstreit von jeweils einem eigenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Auf Grund der zu ihren Gunsten ergangenen Kostenentscheidung hat der Rechtspfleger des AG mit zwei verschiedenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen die den Beklagten jeweils zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 1.005,72 EUR festgesetzt. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde machte der Kläger geltend, die Beklagten hätten sich durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen müssen, so dass nur einmal 1.005,72 EUR hätten festgesetzt werden dürfen. Das LG Wuppertal hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [5] „Das Beschwerdegericht hat zu Recht die – der Höhe nach unstreitigen – jeweils entstandenen außergerichtlichen Kosten, die im Streitfall durch die Beauftragung je eines eigenen Rechtsanwalts durch die Beklagten zu 1 und zu 2 entstanden sind, als erstattungsfähig gem. § 91 ZPO angesehen.
[6] 1. Werden – wie hier – zwei einfache Streitgenossen (§§ 59, 60, 61 ZPO) verklagt, steht es grundsätzlich jedem von ihnen frei, sich von einem eigenen Anwalt vertreten zu lassen mit der Folge, dass im Falle des Obsiegens die jedem Streitgenossen entstandenen Anwaltskosten erstattungsfähig sind (vgl. BVerfG NJW 1990, 2124). Von diesem Grundsatz sind je nach den Umständen des Einzelfalles dann Ausnahmen zu machen, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird. In einem solchen Fall ist es rechtsmissbräuchlich, ohne besonderen sachlichen Grund einen eigenen Anwalt einzuschalten, so dass die doppelt geltend gemachten Kosten nicht als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen und damit auch nicht erstattungsfähig sind (BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – VI ZB 76/03 = zfs 2004, 379 = RVGreport 2004, 188 = AGS 2004, 188, NJW-RR 2004, 536, unter II 1 a bb und cc m.w.N.). Dies folgt aus dem zwischen den Parteien bestehenden Prozessrechtsverhältnis, aus dem jede Partei nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Kosten ihrer Prozessführung möglichst niedrig zu halten (BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007 = RVGreport 2007, 309 (Hansens) = AGS 2007, 541, 2257, Tz. 12; Senatsbeschluss vom 3.6.2003 – VIII ZB 19/03, NJW 2003, 2992, unter II 2 = BRAGOreport 2003, 202 = JurBüro 2003, 595).
[7] Eine solche Ausnahme ist nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs regelmäßig im Haftpflichtprozess des Geschädigten gegen den Versicherer und den Fahrer/Halter eines Kraftfahrzeugs anzunehmen (BGH, Beschl. v. 20.1.2004, a.a.O., unter II 1 a cc (1)), wie auch hinsichtlich der Kosten von sich selbst vertretenden Mitgliedern einer – noch bestehenden – Rechtsanwaltssozietät (BGH, Beschl. v. 2.5.2007, a.a.O., Tz. 12; vgl. dagegen zur beendeten Sozietät sowie bei dem Verdacht des Versicherers hinsichtlich eines gestellten Unfalls durch den Versicherungsnehmer OLG Köln, MDR 2006, 896).
[8] 2. Zu Recht nimmt das Beschwerdegericht an, dass ein solcherart gelagerter Ausnahmefall hier nicht vorliegt.
[9] Den Beklagten, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr zusammen gewohnt haben, ist es – worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist – nicht verwehrt, einen Rechtsanwalt an ihrem jeweiligen Wohnort zu beauftragen.“
3 Anmerkung
Die Rechtsbeschwerde konnte bereits deshalb keinen vollen Erfolg haben, weil bei der vom Kläger für notwendig gehaltenen Vertretung der beiden Beklagten durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten noch die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG angefallenen wäre.
I. Kosten eines eigenen Rechtsanwalts im Regelfall erstattungsfähig
Die Rechtsbeschwerde hatte aber deshalb keinen (Teil-)Erfolg, weil der BGH die Vertretung jedes Streitgenossen durch einen eigenen Prozessbevollmächtigten für notwendig angesehen hat. Die Führung eines Rechtsstreits gegen mehrere Beklagte kann somit – wie der Fall des BGH zeigt – für den Kläger im Unterliegensfall zu einem hohen Kostenrisiko führen. Die jeweiligen Beklagten sind nämlich im Regelfall erstattungsrechtlich nicht gehalten, mit ihrer Rechtsverteidigung einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Dies gilt nicht nur in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall, dass die Beklagten ihren Wohnsitz oder Sitz an verschiedenen Or...