VVG § 6 Abs. 2 a.F.; AKB § 2 b Nr. 1e
Leitsatz
Führt eine versicherte Person ein Kraftfahrzeug im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit, so ist der Gegenbeweis, dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt hat, erst geführt, wenn sie nachweist, dass der erlittene Verkehrsunfall ein unabwendbares Ereignis gewesen ist.
LG Gera, Urt. v. 10.2.2009 – 6 O 1613/07
Sachverhalt
Bei der Klägerin war der von Herrn S gehaltene Lkw M haftpflichtversichert. Am 25.9.2006 gegen 7.20 Uhr führte der Beklagte diesen Lkw und fuhr die S Straße in J auf dem linken Fahrstreifen aus Richtung A 4 kommend in Richtung Stadtzentrum. In gleicher Richtung fuhr der von M geführte Pkw M auf dem rechten Fahrstreifen. Bereits beim Abbiegevorgang von der Autobahn hatte der Beklagte Probleme, mit dem von ihm geführten Lkw M die Fahrspur zu halten und kam wiederholt auf den rechten vom Pkw M befahrenen Fahrstreifen. M versuchte mehrfach vergeblich, den vom Beklagten geführten Lkw zu überholen. Die zwei Fahrspuren verjüngten sich nach einer Fußgängerfurt zu einem Fahrstreifen. Letztlich überfuhr M mit dem von ihm geführten Pkw M den nach der Fußgängerfurt vorhandenen Sperrstreifen zwecks Überholens des Lkw und kollidierte im Zuge des Einscherens nach links mit dem vom Beklagten geführten Lkw. Hierdurch wurde der Pkw M nach rechts von der Fahrbahn auf das angrenzende Grasland geschleudert und kam schräg versetzt auf diesem zum Stillstand. Die hinzugerufene Polizei stellte um 7.28 Uhr bei dem Beklagten einen Atemalkoholwert von 1,73 Promille fest. Eine um 8.25 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,34 Promille.
Die Klägerin regulierte die unfallbedingt entstandenen Kosten und Aufwendungen bezüglich des unfallbeteiligten Pkw M und nimmt nunmehr den Beklagten als mitversicherten Fahrer wegen einer Obliegenheitsverletzung in Höhe von 5.000,00 EUR in Anspruch.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „ … Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5.000,00 EUR gem. § 3 Nr. 9 Satz 2 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) a.F. i.V.m. § 426 Abs. 1 BGB …
Die nach § 3 Nr. 9 Satz 1 PflVG bestehende Alleinverpflichtung der Klägerin im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander besteht vorliegend nicht, nachdem gem. § 3 Nr. 9 Satz 2 PflVG im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer eine Verpflichtung der Klägerin zur Leistung wegen einer Obliegenheitsverletzung nicht besteht. Insoweit ist weiter § 3 Abs. 3 Satz 2 Allgemeine Kraftfahrtbedingungen (AKB) zu berücksichtigen, wonach bei einer Obliegenheitsverletzung die Klägerin als Versicherer wegen einer dem Dritten gewährten Leistung Regress nur gegen diejenigen mitversicherten Personen nehmen kann, in deren Person die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände vorliegen. Insoweit hat im vorliegenden Rechtsstreit der Beklagte die ihm als mitversicherter Person i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 KfzPflVO obliegende Verpflichtung vor Eintritt des Versicherungsfalls gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KfzPflVO verletzt, nämlich ein Fahrzeug nicht zu führen, wenn er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel dazu nicht sicher in der Lage ist. Unstreitig hat der Beklagte gegen die Obliegenheit am Unfalltag verstoßen, nachdem er absolut fahruntüchtig gewesen ist. Immerhin wurde um 8.25 Uhr noch eine Blutalkoholkonzentration von 1,34 Promille festgestellt, der Unfall hat sich zeitlich vorher gegen 7.25 Uhr ereignet.
Hinsichtlich dieser Obliegenheit liegt bei einer abstrakten, vom Einzelfall losgelösten Betrachtung auf der Hand, dass die Beachtung der Obliegenheit geeignet ist, den Eintritt eines Versicherungsfalls der vorliegenden Art mindestens zu erschweren (vgl. BGH, NJW – RR 1997, 407).
Der Beklagte konnte nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts den Kausalitätsgegenbeweis dergestalt führen, dass mit Sicherheit festzustellen ist, dass sich die Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten Versicherungsfalls ausgewirkt hat. Gem. § 6 Abs. 2 VVG a.F. kann sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit bei einer Obliegenheitsverletzung, die von dem Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Gefahrerhöhung dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der ihm obliegenden Leistung gehabt hat. Der BGH hat insoweit ausgesprochen, dass der dem Versicherungsnehmer nach § 6 Abs. 2 VVG offenstehende Nachweis fehlender Kausalität nur dahin gehen könne, dass die Gefahrerhöhung für das eingetretene Schadensereignis ohne jede Bedeutung gewesen ist und dem gem. feststeht, dass Eintritt und Umfang des Versicherungsfalls nichts mit der vorausgesetzten typischen Risikoerhöhung zu tun haben. Dies ist nur anzunehmen, wenn der Unfall erwiesenermaßen durch ein Ereignis verursacht worden ist, das für den Fahrer unabwendbar i.S. des § 7 Abs. 2 StVG gewesen ist (vgl. BGH, VersR 1972, 530). Wenngle...