a) Voraussetzungen
Die wesentlich häufigere Variante psychischer Beeinträchtigungen ist der psychische Folgeschaden als Reaktion auf eine unfallbedingte Primärverletzung. Hat der Schädiger für eine Gesundheitsverletzung einzustehen, haftet er grundsätzlich auch für deren Folgen. Hierbei ist es unerheblich, ob diese Folgen körperlicher oder psychischer Natur sind. Somit fallen auch psychische Fehlverarbeitungen in den Verantwortungsbereich des Schädigers. Anders als bei psychisch vermittelten Primärverletzungen müssen diese für ihn auch nicht vorhersehbar sein, darüber hinaus ist nicht erforderlich, dass die reinen Folgeschäden Krankheitswert haben.
Der BGH hat jedoch auch in diesem Zusammenhang der Haftung des Schädigers unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Zurechenbarkeit in zwei Fällen eingeschränkt: Genau wie den zum Primärschaden dargestellten Grundsätzen ist bei einem Folgeschaden die psychische Fehlverarbeitung dann nicht mehr zurechenbar, wenn das zugrunde liegende Ereignis eine Bagatelle war und die psychische Reaktion hierauf nicht mehr verständlich ist. In diesem Zusammenhang geht es nicht um den Unfall als solchen, sondern um die zugrunde liegende Primärverletzung. Nachdem der Ausschluss eines Schmerzensgeldanspruchs für Bagatellverletzungen bei der Änderung des Schadenersatzrechts keine Aufnahme in das BGB gefunden hat, sind die vom BGH entwickelten Grundsätze für das Vorliegen einer Bagatellverletzung heranzuziehen. Eine Bagatellverletzung liegt demnach vor, wenn es sich nur um vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens handelt, die im Einzelfall weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld als billig erscheinen lassen. Der BGH hat die Grenze zu einer Bagatellverletzung bereits bei einer (nachgewiesenen!) HWS-Distorsion mit fünftägiger Arbeitsunfähigkeit als überschritten angesehen, ebenso bei einer Ohrfeige. Es erscheint daher fraglich, ob bei einem Verkehrsunfall überhaupt eine reine Bagatellverletzung auftreten kann.
Entsprechend den Ausführungen zu den Primärschäden gilt die angesprochene Rückausnahme, dass der Schädiger auch bei einer Bagatellverletzung haftet, wenn diese auf eine besondere Schadenanlage des Geschädigten trifft.
Eine weitere Einschränkung nimmt der BGH bei der sog. "Renten- oder Begehrensneurose" vor, die dann gegeben ist, wenn der Geschädigte den Unfall im neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit als Anlass nimmt, sich aus dem Erwerbsleben zu verabschieden. Der Rentenwunsch darf dabei nicht nur Symptom sein, sondern der wesentliche Faktor, was äußerst selten sein dürfte. Hiervon abzugrenzen sind die grundsätzlich entschädigungspflichtigen Konversionsneurosen, bei denen seelische Konflikte in körperliche Symptome umgewandelt werden, die auf dem Geschädigten nicht bewussten Zweckvorstellungen beruhen.
b) Beweislast und Anforderungen an den Parteivortrag
Der psychische Folgeschaden betrifft die haftungsausfüllende Kausalität. Dem Geschädigten kommt daher die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute, wonach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist. Diese Beweiserleichterung entbindet den Anwalt des Geschädigten natürlich nicht davon, einen psychischen Folgeschaden darzulegen und unter Beweis zu stellen, denn nur dann kann ein solcher auch Gegenstand eines Schmerzensgeldanspruchs sein; die Ausführungen zum Primärschaden gelten entsprechend.
Natürlich gilt für die haftungsbegründende Primärverletzung das Beweismaß des § 286 ZPO. Probleme ergeben sich hier namentlich im Zusammenhang mit Verletzungen der HWS, da diese Verletzungen oftmals – wie auch die psychischen Schädigungen – ohne objektivierbare Befunde auftreten und gegebenenfalls als solche nicht nachgewiesen werden können. Da ferner Versuche ergeben haben, dass eine HWS-Symptomatik auch rein psychisch vermittelt werden kann, muss gerade in diesen Fällen immer auch ein psychischer Primärschaden in Betracht gezogen werden. Der Anwalt des Geschädigten muss gegebenenfalls die Möglichkeiten einer rein psychisch vermittelten Beeinträchtigung mit dem Geschädigten und den behandelnden Ärzten erörtern und erforderlichenfalls die Begründung einer Körperverletzung auf einen psychischen Primärschaden umstellen, sollte sich ein körperlicher Schaden nicht beweisen lassen. Dies kann im Verhältnis zur Partei dann problematisch werden, wenn der Geschädigte darauf beharrt, ausschließlich körperliche Verletzungen davongetragen zu haben.
Besteht lediglich ein Risiko, dass in der Zukunft psychische Schäden auftreten können, ist diesbezüglich ein Feststellungsantrag zu stellen. Hierbei r...