StVG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 § 4 Abs. 3 S. 2
Zur Verwertbarkeit eines Messergebnisses, das unter Einsatz eines verfassungsrechtlich bedenklichen Messverfahrens gewonnen worden ist und zur Bindungswirkung eines rechtskräftigen Bußgeldbescheides im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren.
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.3.2010 – 12 ME 37/10
Mit Bescheid vom 20.11.2009 entzog die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnis des Antragstellers (höchste Klasse CE), nachdem sie auf Grund einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes davon Kenntnis erhalten hatte, dass der Antragsteller mit 18 Punkten im Verkehrszentralregister wegen zuvor begangener Verkehrszuwiderhandlungen eingetragen war. Zur Begründung seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Antragsteller geltend gemacht, der zuletzt mit drei Punkten eingetragene Verstoß wegen Nichteinhaltung des Mindestabstandes auf der Autobahn – begangen am 6.7.2009 und geahndet mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid des Kreises B. vom 21.9.2009 – dürfe, wie das BVerfG in einem vergleichbaren Fall entschieden habe, nicht zu seinen Lasten verwertet werden, denn die vorgenommene Abstandsmessung sei mit dem Verkehrskontrollsystem VKS der Firma VIDIT GmbH vorgenommen worden und verstoße ohne gesetzliche Grundlage gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das VG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die angegriffene Verfügung sei in formeller und materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Zwar sei hier wohl nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragstellers eine Messmethode angewandt worden, die – wie auch das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom 27.11.2009 (Ss Bs 186/09 [zfs 2010, 170]) festgestellt habe – fragwürdig sei. Einer abschließenden Prüfung bedürfe es insoweit aber nicht. Zum einen sei die Behörde gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit gebunden und gelte diese Bindungswirkung auch für das Gericht. Zum anderen habe es der Antragsteller selber in der Hand gehabt, den Eintritt der Rechtskraft des hier maßgeblichen Bußgeldbescheides (zu versuchen) zu verhindern. Schließlich wäre unbeschadet dieser Bindungswirkung hilfsweise auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Verwertung des nach Meinung des Antragstellers einem Verwertungsverbot unterliegenden Messergebnisses im straßenverkehrsrechtlichen Gebiet der Gefahrenabwehr für den Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis erlaubt sei, da es sich nicht um repressives Recht handele, sondern bereichsspezifische Prävention im Vordergrund stehe. Insoweit mache sich die Kammer die Erwägungen zu eigen, die der Senat unlängst mit Blick auf eine ohne richterliche Anordnung gewonnene Blutprobe mit Beschl. v. 16.12.2009 (12 ME 234/09, zfs 2010, 114) angestellt habe. Nach allem komme es auf die hier vorliegenden "letzten drei Punkte" an und habe die Antragsgegnerin diese zu Recht ihrem Bescheid mit der ermittelten Gesamtpunktezahl von 18 zugrunde gelegt.
Aus den Gründen:
“…II. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, die der Senat allein zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gebieten eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht.
Der Antragsteller wiederholt mit der Beschwerde seine Auffassung, dass auf Grund des fehlerhaften und vom BVerfG gerügten Messverfahrens ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei und deshalb die wegen der zuletzt begangenen Verkehrszuwiderhandlung verhängten drei Punkte nicht berücksichtigt werden dürften. Ihm selbst sei – anders als der Bußgeldbehörde – die Entscheidung des BVerfG vom 11.8.2009 nicht bekannt gewesen, so dass er auch keinen Anlass gehabt habe, gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen. Setze sich die Bußgeldbehörde in rechtswidriger Weise über die Entscheidung des BVerfG hinweg, so sei dies im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens zu berücksichtigen. Die Berufung des VG auf den Beschluss des Senats vom 16.12.2009 [zfs 2010, 114] verfange nicht. Dort sei es um die Frage gegangen, ob es für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts im Straßenverkehrsgesetz oder in der Fahrerlaubnis-Verordnung ein ausdrückliches Verwertungsverbot für nicht richterlich angeordnete körperliche Untersuchungen gebe. Demgegenüber habe das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom 27.11.2009 [zfs 2010, 170] festgestellt, dass der Verwertung des rechtswidrig erlangten Messergebnisses ein Beweisverwertungsverbot entgegenstehe.
Mit diesem Vortrag vermag der Antragsteller nicht durchzudringen. Gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde bei der Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Diese Bindung der Fahrerlaubnisbehörde gilt auch für die Gerichte, wenn sie über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde entscheiden. Eine Ausnahme von dieser Bestimmung sieht das Gesetz n...