BGB § 1004 Abs. 1 § 275 Abs. 2
Im Rahmen der Abwägung, ob ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung eines fremden Grundstücks aus § 1004 Abs. 1 BGB nach § 275 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist, kommt Kosten, die ohne die Inanspruchnahme des fremden Grundstücks entstanden wären, nur eingeschränkte Bedeutung zu.
BGH, Urt. v. 23.10.2009 – V ZR 141/08
Dr. K war Eigentümer des Grundstücks W Straße 51e bis 51g in O. Das Grundstück ist in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mit einem für Angehörige der sowjetischen Armee als Unterkunft bestimmten Wohnblock bebaut worden. 1996 erwarb die Beklagte ein angrenzendes Grundstück. Auf diesem steht u.a. der parallel zur gemeinsamen Grenze der Grundstücke zum selben Zweck errichtete Block W Straße 53a bis 53d.
Die Beklagte sanierte das Gebäude. Für die Pflasterung der Zufahrt und eine Holzabtrennung nahm sie dabei auf eine Länge von rund 70 m und eine Breite von etwa 4,5 m das Grundstück von Dr. K in Anspruch.
2002 erwarb die Klägerin das Grundstück W Straße 51e bis 51g. Mit der Klage verlangt sie von der Beklagten die Beseitigung der Pflasterung und der Holzabtrennung und die Herausgabe ihres Grundstücks in geräumtem Zustand, soweit dieses für die Pflasterung und die Holzabtrennung in Anspruch genommen wird. Die Beklagte hat widerklagend die Bestellung einer Dienstbarkeit an dem Grundstück der Klägerin beantragt, die sie zu dessen Nutzung in dem praktizierten Umfang berechtigen soll.
Das LG hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die hiergegen von beiden Parteien eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Aus den Gründen:
[5] “I. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin müsse die Nutzung ihres Grundstücks als Weg durch die Beklagte dulden. Den von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen stehe der in § 251 Abs. 2 S. 1 BGB zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsatz entgegen, nach welchem Beseitigung nicht verlangt werden könne, wenn sie zu unzumutbarem Aufwand führe. Bei der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Klägerin schon zu Zeiten der DDR als Zugang zu dem Wohnblock auf dem Grundstück der Beklagten gedient habe und die Beklagte bei der Pflasterung des Wegs darauf vertrauen durfte, dass Dr. K die Inanspruchnahme seines Grundstücks gestatte. Insoweit habe die Beklagten weder grob fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt.
[6] Die Fläche vor dem Wohnblock auf dem Grundstück der Beklagten reiche zwar für einen Zugang zu den Eingängen des Wohnblocks hin. Sie sei aber zu schmal, um auch die für die Feuerwehr notwendigen Stellflächen aufzunehmen. Die Verlegung dieser Flächen auf die Rückseite des Gebäudes führe nach dem Vortrag der Klägerin zu einem Aufwand von knapp 9.000 EUR, nach dem Vortrag der Beklagten zu einem solchen von etwa 100.000 EUR. Darüber hinaus müssten nach der Behauptung der Beklagten die Fenster auf der Rückseite des Wohnblocks vergrößert werden, um den Rettungsanforderungen zu genügen; dort wachsende Birken müssten gefällt werden. Der Weg auf der Vorderseite des Blocks müsste neu angelegt, das Einbahnstraßensystem auf dem Grundstück der Beklagten geändert, für die Fahrzeuge der Bewohner des Blocks und den Anlieferverkehr müssten neue Wege angelegt werden.
[7] Gemessen an dem hiermit verbundenen Aufwand seien die Nachteile gering, die die Klägerin durch die Nutzung des Grundstücksstreifens seitens der Beklagten erleide. Der Streifen sei nicht bebaubar. Die Entfernung zwischen dem Streifen und dem Wohnblock W Str. 51e bis 51g betrage etwa 60 Meter, ein konkretes Nutzungskonzept für die Wegefläche habe die Klägerin nicht vorgetragen.
[8] II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[9] Die Klage ist nach §§ 1004 Abs. 1, 985 BGB begründet. Der Eigentümer einer Sache kann mit dieser grundsätzlich nach Belieben verfahren und Dritte von jeder Einwirkung auf sein Eigentum ausschließen (§ 903 S. 1 BGB). Soweit das Eigentum beeinträchtigt wird, kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen (§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB); wird dem Eigentümer der Besitz vorenthalten, kann er Herausgabe verlangen (§ 985 BGB). Die Rechte aus dem Eigentum haben nur insoweit zurückzutreten, als das Gesetz oder Rechte Dritter der Ausübung der Rechte aus dem Eigentum entgegenstehen (§§ 903 S. 1, 1004 Abs. 2, 986 Abs. 1 S. 1 BGB). So verhält es sich hier nicht.
[10] 1. Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ist nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer die Beeinträchtigung dulden muss. So verhält es sich nicht, wenn ein früherer Eigentümer die Beeinträchtigung gestattet hat. Dessen Gestattung ist für den Beseitigungsanspruch des Rechtsnachfolgers in das Eigentum ohne Bedeutung (Senat BGHZ 66, 37, 39 m.w.N.). Der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks kann von demjenigen, der eine von seinem Rechtsvorgänger gestattete Einrichtung weiterhin nutzt, die Beseitigung der Einrichtung verlangen (Senat, Urt. v. 29.2....