VV RVG Nr. 4141
Dem Verteidiger fällt die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG auch dann an, wenn er nach dem Hauptverhandlungstermin an der endgültigen Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO mitwirkt und dadurch ein weiterer Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird.
(Leitsatz des Bearbeiters)
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 1.10.2009 – 18 C 80/09
Die Rechtsanwältin war für den in diesem Rechtsstreit als Kläger auftretenden Versicherungsnehmer der beklagten Rechtsschutzversicherung in einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr als Verteidigerin vor dem AG Bernau tätig. In dem Verhandlungstermin vom 4.3.2005, an dem sowohl der Kläger als auch die Verteidigerin teilnahmen, stellte das AG das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.200,00 EUR gem. § 153a StPO vorläufig ein. Nach Zahlung dieser Geldbuße beantragte die Rechtsanwältin mit Schriftsatz vom 19.8.2005 die endgültige Einstellung des Verfahrens, die dann auch mit Beschl. v. 8.9.2005 erfolgte.
Auf Grund der erteilten Deckungszusage rechnet die Verteidigerin ihre Vergütung mit der Rechtsschutzversicherung des Klägers ab. Diese zahlte den größten Teil der Vergütung, weigerte sich aber, die ebenfalls abgerechnete zusätzliche Gebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG zu zahlen. Im Auftrag des Klägers forderte die Rechtsanwältin die Rechtsschutzversicherung mehrfach zur Zahlung dieser Gebühr nebst Auslagen auf, wofür sie ihm weitere Anwaltskosten i.H.v. 46,41 EUR in Rechnung stellte.
Mit seiner vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg erhobenen Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Freistellung von seiner Verpflichtung zur Zahlung der zusätzlichen Gebühr nebst Auslagen sowie der weiteren Kosten für die Zahlungsaufforderung.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
“Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Der Kläger hat einen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte aus dem mit ihr geschlossenen Versicherungsvertrag.
Die von seiner Prozessbevollmächtigten geltend gemachte Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG, gegen deren Höhe keine Einwände erhoben wurden, ist entstanden, obwohl bereits einmal eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Denn der Sinn und Zweck dieser Vorschrift besteht darin, den Anreiz zu erhöhen, das Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, damit weniger Hauptverhandlungen durchgeführt werden. Da weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, dass die Instanz völlig ohne Durchführung einer Hauptverhandlung erledigt werden muss, vielmehr der Zweck auch erfüllt wird, wenn eine weitere Verhandlung vermieden wird, ist die Gebühr vorliegend auch entstanden.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 280 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.
Die dem Kläger auf Grund der Mahnschreiben entstandenen Rechtsanwaltsgebühren. welche ebenfalls der Höhe nach nicht bestritten werden, sind gem. §§ 286, 280, 249 BGB im Rahmen des Verzugsschadens als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung zu erstatten.”
Der Entscheidung ist zuzustimmen.
Nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG erhält der Rechtsanwalt die dort bestimmte zusätzliche Gebühr, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird und durch die anwaltliche Mitteilung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG entsteht die zusätzliche Gebühr nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Verteidigers nicht ersichtlich ist. Diese Voraussetzungen der zusätzlichen Gebühr haben hier vorgelegen.
I. Nicht nur vorläufige Einstellung
Die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens im Hauptverhandlungstermin vom 4.3.2005 gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a StPO war noch keine endgültige Einstellung. Diese ist aber später durch Beschl. v. 8.9.2005 erfolgt, nachdem der Kläger die Geldbuße gezahlt hatte. Damit war die Voraussetzung von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG erfüllt.
II. Hauptverhandlung entbehrlich
Ferner muss die Hauptverhandlung infolge der Einstellung des Verfahrens entbehrlich geworden sein. Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG stellt lediglich darauf ab, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Das war hier der Fall. Hätte der Kläger die Geldbuße nicht gezahlt, hätte das AG einen weiteren Hauptverhandlungstermin anberaumen und dort über den Strafvorwurf ggf. nach Beweisaufnahme entscheiden müssen. Folgerichtig ist es in der Rspr. allgemein anerkannt, dass die zusätzliche Gebühr auch dann anfallen kann, wenn bereits ein erster Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat und ein weiterer Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird, so OLG Hamm AGS 2008, 228 m. Anm. N. Schneider; OLG Bamberg RVGreport 2007, 150 = AGS 2007, 138; LG Bonn NStZ-RR 2002, 30; LG Frankfurt/Oder AGS 2003, 26; LG Düsseldorf JurBüro 2007, 83; LG Saarbrücken NStZ-RR 2001, 191; LG Verden AGS 2004, 196 = JurBüro 2005, 259; AG Dessau AGS 2006, 240; AG Berlin-Tiergarten AGS 2007, 140; AG Wittlich AGS 2006, 500 = JurBüro 2006, 590. Nur die Mindermeinung vertritt die Auffassung, dass die Hauptve...