VV RVG Nr. 2303 Nr. 4 VV RVG; ARB 1994 § 5 (1) d)
Leitsatz
Eine Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2303 Nr. 4 setzt ein Verfahren vor einer gesetzlich eingerichteten Einigungs-, Güte- oder Schiedsstelle voraus. Sie fällt daher bei Verfahren vor einer kirchlichen Vermittlungsstelle, deren Anrufung vor Beschreiten des Rechtsweges rein arbeitsvertraglich vereinbart ist, nicht an.
BGH, Beschl. v. 15.12.2010 – IV ZR 96/10
Sachverhalt
Der Kl. – eine Gewerkschaft – forderte von der beklagten Rechtsschutzversicherung die Freistellung von außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit der Rechtsanwälte. Nachdem die Arbeitsverhältnisse zweier Mitglieder des Kl. von den jeweiligen kirchlichen Anstellungsträgern gekündigt worden waren, erhoben die beauftragten Anwälte in beiden Fällen Kündigungsschutzklage und riefen gleichzeitig die kircheninterne Vermittlung an. Die Einrichtung dieser kirchlichen Vermittlungsstelle beruhte auf Vereinbarungen der Mitglieder der Kl. mit dem Arbeitgeber in den Arbeitsverträgen. Dem Rechtsschutz-Versicherungsvertrag lagen die ARB 94 zugrunde.
Die beklagte Rechtsschutzversicherung zahlte nur die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Anwaltskosten. Demgegenüber lehnte die Bekl. die Zahlung der für die außergerichtliche Vertretung im Verfahren vor den kirchlichen Vermittlungsstellen geltend gemachten Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 4 VV RVG ab. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das LG zurückgewiesen. Der BGH hat in seinem Beschluss die Zurückweisung der Revision nach § 555a Satz 1 ZPO angekündigt. Dieses Revisionsverfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt.
2 Aus den Gründen:
„… [7] aa) Nach § 5 Abs. 1d) ARB 94 trägt der Versicherer "die Gebühren eines Schieds- oder Schlichtungsverfahrens bis zur Höhe der Gebühren, die im Falle der Anrufung eines zuständigen staatlichen Gerichtes erster Instanz entstehen". Der Wortlaut des § 5 Abs. 1d) ARB 94 enthält keine den Rechtsanwaltsvergütungsregelungen der § 65 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO und Nr. 2303 Ziff. 4 VV RVG entsprechende Einschränkung auf gesetzlich eingerichtete Einigungsstellen. Für eine einschränkende Auslegung entgegen dem Wortlaut gibt es keinen Anlass. Dementsprechend gilt die Kostenübernahme nach allgemeiner Auffassung für Schieds- und Schlichtungsverfahren jeglicher Art (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 5 ARB 94 Rn 5; Bauer in Harbauer, Rechtsschutzversicherung, § 5 ARB 2000 Rn 121; van Bühren in van Bühren/Plote, ARB, 2. Aufl., § 5 Rn 72), insbesondere auch für betriebliche Schiedsstellen, die auf Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung beruhen (Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., S. 2104). Allerdings sind Rechtsanwaltskosten nach § 5 Abs. 1a) ARB 94 nur im Rahmen der gesetzlichen Vergütung erstattungsfähig.
[8] bb) Das BG ist zutreffend davon ausgegangen, dass durch die Vertretung in den Vermittlungsverfahren keine Rechtsanwaltsgebühren nach § 65 Abs. 1 S. 1 Ziff. 4 BRAGO bzw. nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2303 Ziff. 4 VV RVG entstanden sind.
[9] (1) Einer unmittelbaren Anwendung des § 65 Abs. 1 S. 1 Ziff. 4 BRAGO und der Nr. 2303 Ziff. 4 VV RVG auf kirchliche Vermittlungsstellen steht der klare Wortlaut der Gebührentatbestände entgegen. Zwar setzen § 65 Abs. 1 S. 1 Ziff. 4 BRAGO und Nr. 2303 Ziff. 4 VV RVG nicht voraus, dass die Einrichtung der Gütestelle unmittelbar durch ein formelles Gesetz geregelt ist. Aus der Bezugnahme auf die in Ziff. 1 bis 3 konkret aufgeführten Gütestellen folgt vielmehr, dass die Einrichtung aufgrund einer in einem Gesetz enthaltenen Ermächtigung ausreichend ist (OLG Karlsruhe JurBüro 1985, 236, 238; Madert in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 2303 Rn 7; Jungbauer in Bischof/Jungbauer, RVG, 3. Aufl., Nr. 2303 VV Rn 12; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 3. Aufl., S. 489).
[10] Eine gesetzliche Ermächtigung für die Einrichtung der kirchlichen Vermittlungsstellen fehlt jedoch. Insb. findet sich eine solche nicht in § 1 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes (ARRG), der lediglich bestimmt, dass die Arbeitsbedingungen nach tarifvertraglichen Regelungen zu gestalten sind. Der Kirchliche Angestelltentarifvertrag (KAT-NEK) vom 15.1.1982 (veröffentlicht im GVOBl. der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche – NEK – 1980, S. 46-82) stellt bereits deshalb keine gesetzliche Grundlage dar, da er weder das Schlichtungsverfahren vor den kirchlichen Vermittlungsstellen noch das Vertragsmuster mit der die Vermittlungsstellen betreffenden Verpflichtungsklausel erwähnt. Offen bleiben kann, ob für das vorliegende Revisionsverfahren nach § 559 Abs. 2 ZPO die – unzutreffende – Feststellung im unstreitigen Tatbestand des Berufungsurteils zugrunde zu legen ist, wonach das Arbeitsvertragsmuster Bestandteil des für allgemeinverbindlich erklärten KAT-NEK ist. Auch auf dieser Grundlage könnte in dem Tarifvertrag keine “gesetzliche‘ Ermächtigung für die Einrichtung der kirchlichen Vermittlungsstellen gesehen werden, da es zur Verbindlichkeit de...