„ … [6] II. 1. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG entsteht nach Abs. 1 Nr. 1 der zugehörigen Anm., wenn das Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde durch die anwaltliche Mitwirkung endgültig eingestellt wird. Nach Abs. 2 der Anm. entsteht sie nicht, wenn eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Mit Recht hat das BG die für den Anfall der Erledigungsgebühr erforderliche Mitwirkung des Anwalts an der Einstellung des Verfahrens in einem weiten Sinn verstanden.
[7] a) Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG übernimmt, wie die für das Strafverfahren gleich lautende Bestimmung der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, den Grundgedanken der Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO. Diese war geschaffen worden, um Tätigkeiten des Verteidigers zu honorieren, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten. Sie galt gemäß § 105 Abs. 2 Satz 3 BRAGO auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren. Die Neuregelung in Nr. 5115 und Nr. 4141 VV RVG hat diesen Ansatz aufgegriffen, indem dem Rechtsanwalt in den dort genannten Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt wird. Die Zusatzgebühr der Nr. 5115 VV RVG soll, wie die Vorgängerregelung, den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und damit zu weniger Hauptverhandlungen führen (BGH NJW 2009, 368 = zfs 2008, 709 m. Anm. Hansens = AnwBl. 2008,886).
[8] b) Mitwirkung i.S.d. Nr. 5115 VV RVG bedeutet, wie Abs. 2 der Anm. zeigt, dass der Verteidiger durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert haben muss. Es genügt hierfür jede Tätigkeit, die zur Förderung der Verfahrenserledigung geeignet ist. Eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit ist nicht erforderlich (BGH, a.a.O.).
[9] c) Nach diesen Maßstäben kann die nach Nr. 5115 VV RVG erforderliche Mitwirkung gegeben sein, wenn der Verteidiger seinem Mandanten im Bußgeldverfahren rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen und er die entsprechende Entschließung seines Mandanten der Verwaltungsbehörde mitteilt (sog. gezieltes Schweigen; AG Charlottenburg AGS 2007, 309, 310; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 19. Aufl., Nr. 5115 VV RVG Rn 6; N. Schneider in AnwKomm-RVG, 5. Aufl., Nr. 5115 VV RVG Rn 32; Bischof/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 5115-5116 VV RVG Rn 30b; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., Nr. 5100-5200 VV RVG Rn 18; Hartmann, KostG, 40. Aufl., Nr. 5115 VV RVG Rn 1; Hartung/Schons/Enders, RVG, Nr. 5115 VV RVG Rn 9; zu § 84 Abs. 2 BRAGO: AG Bremen AGS 2003, 29; a.A. AG Hannover JurBüro 2006, 79; AG Halle AGS 2007, 85; AG Meinerzhagen AGS 2007, 454; AG Potsdam, Urt. v. 16. April 2009 – 36 C 31/09, n.v.; zu § 84 Abs. 2 BRAGO: AG Dinslaken JurBüro 1996, 308; AG Achern JurBüro 2001, 304). Die Behörde weiß nach einer solchen Mitteilung, dass sie einen Bußgeldbescheid nicht auf die Einlassung des Betroffenen stützen kann, sondern sich darüber klar werden muss, ob die übrigen Beweismittel für eine Ahndung ausreichen. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass die übrigen Beweismittel nicht ausreichen und stellt sie deshalb das Verfahren ein, hat die Tätigkeit des Verteidigers diese Art der Verfahrenserledigung objektiv gefördert. Eine Förderung der Sachaufklärung setzt die Regelung in Nr. 5115 VV RVG nach ihrem Wortlaut nicht voraus. Auch der Zweck der Regelung, dem Anwalt einen Ausgleich für die Hauptverhandlungsgebühr zu verschaffen, wenn er durch seine Tätigkeit dazu beiträgt, dass eine Verhandlung entbehrlich wird, erfordert keine weiter gehende Förderung. Wirkt der Verteidiger darauf hin, dass sein Mandant schon im Anhörungsverfahren und nicht erst in der Hauptverhandlung erklärt, er werde sich nicht zur Sache äußern, kann dies in ähnlicher Weise wie eine Einlassung zur Sache bewirken, dass das Verfahren noch im Verwaltungsverfahren eingestellt und damit eine Hauptverhandlung vermieden wird. Es wäre deshalb nicht gerechtfertigt, ihm nur bei einer Einlassung zur Sache einen Ausgleich für die Terminsgebühr zuzubilligen.
[10] 2. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einem gezielten Schweigen seines Mandanten lässt jedoch keine Erledigungsgebühr entstehen, wenn die Verwaltungsbehörde das Verfahren unabhängig von einer diesbezüglichen Erklärung einstellt, weil aus anderen Gründen offenkundig ist, dass der Mandant des Anwalts die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann. Dann ist eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Verteidigers nicht ersichtlich (Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5115 VV RVG). Dies hat das BG nicht ausreichend beachtet. Es hat in den Gründen seiner Entscheidung den Vortrag der Bekl. angesprochen, das Bußgeldverfahren wäre auch ohne ein Tätigwerden des Anwalts eingestellt worden. Die Bekl. hatte insoweit ausgeführt, die Kl. habe als weibliche Person nicht die Fahrerin des Pkw sein können, weil das Beweisfoto zweifelsfrei einen männlich...