Die Verwendung des Gebührentatbestandes der "Erledigungsgebühr" für die verfahrensgegenständliche zusätzliche Gebühr sollte vermieden werden, da sonst nicht so mit dem RVG Vertraute an die Erledigungsgebühr der Nr. 1002 VV RVG denken könnten. Dies gilt umso mehr, als die zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG nach dem Urt. des IX. ZS des BGH (zfs 2008, 709) einen geringeren Grad der anwaltlichen Mitwirkung erfordert als die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG.
Dass sich der BGH der ganz überwiegenden Auffassung in Rspr. und Literatur angeschlossen hat, der Rat des Verteidigers zum sog. gezielten Schweigen stelle eine die zusätzliche Gebühr auslösende Mitwirkung an der Einstellung des Verfahrens dar, erfreut den Praktiker. Diese Freude wird jedoch durch die weiteren Ausführungen des BGH getrübt, die zusätzliche Gebühr entstehe doch nicht, wenn die Verwaltungsbehörde das Verfahren "offenkundig" auch ohne die Erklärung des Verteidigers, er habe seinem Mandanten geraten zu schweigen, eingestellt hätte.
Nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5115 VV RVG entsteht die zusätzliche Gebühr nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit (des Rechtsanwalts) nicht ersichtlich ist. Aus dieser negativen Formulierung, die der Gesetzgeber vielfach im RVG verwendet (s. etwa Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG, Abs. 3 der Anm. zu Nr. 6216 VV RVG oder § 46 Abs. 1 RVG), folgt eine Beweislastumkehr. Diejenige Partei, die sich darauf beruft, es sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Tätigkeit des Anwalts auf die Förderung des Verfahrens gerichtet war, hat dies darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Die Bekl. hatte hier behauptet, die Verwaltungsbehörde hätte das Verfahren ohnehin bei richtiger Auswertung des Beweisfotos einstellen müssen. Abgesehen davon, dass vielfach Bußgeldbescheide in Fällen erlassen werden, in denen die Beweisfotos den Betroffenen offensichtlich nicht abbilden, geht der BGH mit seiner Schlussfolgerung zu weit. In seinem Urt. v. 18.9.2008 (zfs 2008,709) hat der IX. ZS des BGH ausgeführt, für den Anfall der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG genüge "jede Tätigkeit des Verteidigers, die zur Förderung der Verfahrenseinstellung geeignet ist". Das ist aber gerade beim Rat zum gezielten Schweigen dann der Fall, wenn die Behörde daraufhin das Verfahren tatsächlich einstellt. Ob die Behörde das Verfahren auch aus anderen Gründen hätte einstellen müssen, ist dann unerheblich und lässt sich vielfach auch gar nicht mehr feststellen.
Das vorstehende Urt. des BGH führt in der Praxis dazu, dass bei Erhebung des mit Tatsachenvorbringen verbundenen Einwandes, die Behörde hätte das Verfahren ohnehin einstellen müssen, das Bußgeldverfahren im Honorarprozess wieder aufgerollt werden muss. Soll dann der Zivilrichter die Akten der Verwaltungsbehörde beiziehen, ggf. Zeugen vernehmen und ein Sachverständigengutachten darüber einholen, ob das Beweisfoto tatsächlich offenkundig nicht den Mandanten abbildet? Natürlich muss es sich nicht immer um ein Beweisfoto handeln, die Einstellung der Verwaltungsbehörde kann auf einer Vielzahl von Tatsachen beruhen, die dann ggf. im Honorarprozess wieder zu überprüfen wären. Man stelle sich vor, einen vergleichbaren Einwand wie hier erhebt der Bezirksrevisor im Kostenfestsetzungsverfahren. Soll dann der Rechtspfleger das Verfahren der Verwaltungsbehörde aufrollen?
Jedenfalls werden die Rechtsschutzversicherungen diese Entscheidung des BGH freudig aufgreifen und nunmehr des Öfteren gegenüber dem Verlangen auf Zahlung der zusätzlichen Gebühr einwenden, das Verfahren wäre "offenkundig" auch ohne die Tätigkeit des Rechtsanwalts eingestellt worden. Die Überprüfung dieses Einwandes führt dann zu einer erheblichen Mehrbelastung der Zivilgerichte und im Ergebnis zu höheren Kosten, die dann auch zu Lasten der gelegentlich unterlegenen Rechtsschutzversicherungen gehen. Der vom Gesetzgeber mit der Einführung der zusätzlichen Gebühr verfolgte Entlastungseffekt wird dann in sein Gegenteil verkehrt.
Heinz Hansens