I. Materielle Schäden
Die Reform des Schadensersatzrechts im Jahr 2002 hat nicht nur beim immateriellen, sondern auch beim materiellen Schaden Änderungen gebracht. Ich will sie hier nur erwähnen, soweit sie für den Personenschaden von Bedeutung sind. Eine wichtige Verstärkung des Schutzes von im Vergleich zu Kraftfahrzeugen schwachen Verkehrsteilnehmern wie etwa Kinder, Fußgänger oder Radfahrer bedeutet die neue Regelung, dass sich der Kraftfahrer nach § 7 Abs. 2 StVG nur noch bei höherer Gewalt entlasten kann. Für diesen Ausnahmetatbestand gibt es in der Rechtsprechung bisher keine Beispiele, so dass diese Haftungsverschärfung zu greifen scheint.
Durch § 7 Abs. 1 StVG wurde außerdem die Halterhaftung auf den Anhänger erstreckt sowie eine weitere Haftungslücke beseitigt, die bisher für unentgeltlich beförderte Fahrzeuginsassen bestanden hatte, weil es früher für Insassen einen Anspruch nach § 8a StVG a.F. nur bei entgeltlicher, geschäftsmäßiger Beförderung gab. Neu ist auch die Heraufsetzung des deliktsfähigen Alters in § 828 Abs. 2 S. 1 BGB, wonach Kinder bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahrs von einer Haftung für von ihnen verursachte Unfallschäden befreit sind.
Das bedeutet einerseits eine Verbesserung des Schutzes dieser Altersgruppe, wie sie vielfach verlangt worden ist, kann aber andererseits beim Verletzten zum Wegfall der Ersatzpflicht führen, so dass – und hierauf hat der BGH bei Schadensfällen mit Kindern mehrfach hingewiesen – nur der Abschluss einer entsprechenden Versicherung vor dem Risiko schützt, durch einen nicht Verantwortlichen geschädigt zu werden. Die zunächst umstrittene Reichweite der neuen Vorschrift hat der VI. Zivilsenat mittlerweile geklärt. Eine wichtige Verbesserung ist auch die Heraufsetzung der Haftungshöchstgrenzen durch § 12 StVG.
Ob die neu eingeführte Haftung des Sachverständigen nach § 839a BGB bedeutsam für den Personenschaden ist, sei hier dahingestellt. Eine neue Anspruchsgrundlage enthält auch § 825 BGB, der bei Verletzungen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens gibt. Indes zeigt bereits die Überschrift "Bestimmung zu sexuellen Handlungen", dass der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht im Bereich des Straßenverkehrs liegt, so dass ich auch hierauf nicht weiter eingehen will.
Wegen weiterer Einzelheiten darf ich auf die zahlreichen Aufsätze verweisen, die anlässlich der Reform erschienen sind und möchte mich jetzt dem immateriellen Schaden zuwenden, für den die Reform von besonderer Bedeutung ist.
II. Immaterieller Schaden
Durch sie wurde nämlich das Schmerzensgeld nicht nur in den allgemeinen Teil des Schuldrechts – nämlich § 253 BGB – überführt, sondern auch inhaltlich neugestaltet. Der bisherige § 253 BGB ist zu Abs. 1 geworden und besagt wie bisher, dass wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden kann. Der alte § 847 BGB ist unter Streichung von Satz 2 – wonach der Anspruch nicht übertragbar und nicht vererblich war – zu Abs. 2 des § 253 BGB geworden.
Wie bisher benennt er nach dem Enumerationsprinzip die Rechtsgüter, bei deren Verletzung eine solche Entschädigung gefordert werden kann, nämlich Körper, Gesundheit und Freiheit, zusätzlich auch die sexuelle Selbstbestimmung, so dass der Schutz dieses Rechts infolge der neuen sprachlichen Fassung jetzt nicht mehr wie im alten § 847 Abs. 2 BGB nur den ominösen "Frauenspersonen" zukommt, sondern allen Geschlechtern, ohne dass ich mich mit deren Anzahl festlegen möchte.
Besonders hervorzuheben ist, dass durch die Änderung der Systematik, nämlich die Herauslösung des Anspruchs aus dem Deliktsrecht, einer schon lange erhobenen Forderung Rechnung getragen werden konnte, dass es nämlich Schmerzensgeld auch bei den Tatbeständen der Gefährdungshaftung und bei vertraglicher Haftung geben kann. Eine weitere wichtige Verbesserung ergibt sich aus der Streichung von § 847 Abs. 1 S. 2 BGB, infolge derer der Anspruch nunmehr ohne Einschränkung übertragbar, vererblich, pfändbar und verpfändbar ist.
Hierzu betonen die Vereinigten Großen Senate des BGH in einer Grundsatzentscheidung zum Schmerzensgeld vom 16.9.2016, dass diese Streichung nichts am höchstpersönlichen Charakter des Anspruchs ändere, sondern erfolgt sei, um in Fällen schwerster Verletzungen mit Todesgefahr den als unwürdig empfundenen Zustand eines Wettrennens mit der Zeit, wie er etwa bei andauernder Bewusstlosigkeit des Verletzten erforderlich werden konnte, zu beenden. Das ist sicher richtig, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie eilig es manchmal die künftigen Erben eines Schwerverletzten hatten, vor dessen Ableben noch schnell den Schmerzensgeldanspruch anhängig zu machen, weil er ja seinerzeit nicht vererbt werden konnte. Heute kann man also getrost Pietät an den Tag legen, ohne den Verlust des Anspruchs befürchten zu müssen.