Trotz dieser Verbesserungen konnte die Reform nichts am Hauptproblem des immateriellen Schadens ändern, nämlich dem Bemessungsproblem.
Bei genauer Betrachtung zeigt sich dieses Problem schon im Gesetzestext, nämlich beim sprachlichen Unterschied zwischen der Regelung des Vermögensschadens in § 823 Abs. 1 und des immateriellen Schadens in § 847 bzw. – insoweit unverändert – § 253 Abs. 2 BGB. Während der Schädiger bei einer Verletzung nach § 823 BGB "zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens" verpflichtet ist, der sich meist durch einen mehr oder weniger einfachen Vergleich der Vermögenslage mit und ohne Schadensereignis ermitteln lässt, ist er bei § 847 ebenso wie bei der Neuregelung in § 253 Abs. 2 BGB "wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist" zu einer billigen Entschädigung in Geld verpflichtet. Diese etwas umständliche Formulierung erklärt sich aus den Besonderheiten des immateriellen Schadens.
Kennzeichnend für ihn ist nämlich die Unmessbarkeit, die typischerweise zu Schwierigkeiten bei Bemessung der Entschädigung führt. Es sind Versuche unternommen worden, diesen Schaden unter dem Aspekt des potentiellen Ressourcenaufwandes des Geschädigten messbar zu machen; aber Versuche dieser Art sind eher theoretisch und für die Rechtspraxis kaum geeignet. Jedenfalls ist der Schmerzensgeldanspruch in der Regel nicht auf Wiederherstellung im Sinn einer Naturalrestitution gerichtet, sondern er ist ein Schadensersatzanspruch eigener Art.
Hierzu hat der BGH bereits in einer wegweisenden Entscheidung aus dem Jahr 1952 klargestellt, dass nur derjenige Betrag ausreichen könne, der zur Beseitigung des erlittenen Nachteils nötig sei. Die Besonderheit des nicht vermögensrechtlichen Schadens sieht der BGH darin, dass infolge der Natur des jeweils verletzten rechtlichen Interesses häufig keine Möglichkeit bestehe, dem Verletzten seinen immateriellen Schaden durch Geldleistung im eigentlichen Sinn zu ersetzen, also den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schadenstiftende Ereignis bestehen würde. Gegenüber dem sich hieraus ergebenden Problem der Unmessbarkeit des immateriellen Schadens betont die Entscheidung von 1952 den Willen des Gesetzgebers, eine billige Entschädigung zu gewähren, die bei Unmöglichkeit tatsächlicher Wiedergutmachung eben nur in einem Ausgleich der erlittenen Beeinträchtigung bestehen könne. Hierin sieht die Entscheidung folgerichtig den Zweck des besonderen Schadensersatzanspruchs nach § 847 BGB. Sie ist durch den Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen von 1955 ein wenig in Vergessenheit geraten – m.E. zu Unrecht.
Auch dieser zweite Beschluss sieht im Ausgleich eine wesentliche, wenn auch nicht die einzige Funktion des Schmerzensgeldes. Er hebt zunächst unter Hinweis darauf, dass sich die erlittene Beeinträchtigung nicht streng rechnerisch ermitteln lasse, die Bedeutung der Ausgleichsfunktion hervor und betont, dass im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes das Ausmaß der Lebensbeeinträchtigung an erster Stelle stehe. Das ist richtig und bleibt festzuhalten. Dass der BGH in diesem Beschluss dann aber doch wieder auf den Gesichtspunkt der Buße oder Genugtuung als zweite Funktion des Schmerzensgeldes zurückgegriffen hat, ist im Schrifttum vielfach als Rückfall in veraltetes Gedankengut kritisiert worden, weil bereits der BGB-Gesetzgeber den Sühnegedanken und die Pönalisierung des Schmerzensgeldes abgelehnt hatte.
Was der Große Zivilsenat seinerzeit zu diesem Thema gesagt hat, ist nicht leicht verständlich und in der Folgezeit vielleicht auch missverstanden worden – ich komme darauf zurück. Ich möchte nicht ausschließen, dass die Genugtuungsfunktion nur aufgenommen wurde, weil einer der Mitwirkenden darauf bestanden hat und bei einem solchen Spruchkörper viele kontroverse Meinungen unter einen Hut bzw. zur gemeinsamen Unterschrift gebracht werden müssen. Wer solche Beratungen miterlebt hat, weiß, was ich meine. Jedenfalls benennt der Beschluss von 1955 als zweite Funktion die Verschaffung von Genugtuung für das erlittene Unrecht. Freilich spielt diese Funktion im Bereich der Fahrlässigkeit eine geringere Rolle als bei der Vorsatztat und auch nach dem schon erwähnten Beschluss der Vereinigten Großen Senate aus dem Jahr 2016 steht die Ausgleichsfunktion deutlich im Vordergrund.