Dieser neue Beschluss erläutert auch den Begriff der Billigkeit und zwar dahin, dass ihre Funktion in der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen den abstrakten gesetzlichen Regelungen des Gesetzes und den Besonderheiten des einzelnen Falles bestehe – kurz gesagt: der Einzelfallgerechtigkeit diene. Im Klartext hat also der Umstand, dass der Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld gerichtet ist, zur Folge, dass für seine Bemessung nicht allein das Ausmaß der Beeinträchtigung maßgeblich ist, wenn daneben andere Umstände dem Schadensfall ein besonderes Gepräge geben.
Hier ist noch immer der Grad des Verschuldens von Bedeutung, auch wenn dieses seit der Reform des Jahres 2002 nicht mehr unabdingbare Voraussetzung für ein Schmerzensgeld ist und zudem das Verschulden bei der Mehrzahl von Verkehrsunfällen keine besondere Rolle spielt. Wenn es in neueren Entscheidungen heißt, es sei für das Schmerzensgeld ohne Bedeutung, ob die Haftung auf Gefährdung oder Fahrlässigkeit beruhe, halte ich das allerdings für problematisch. Denn es zeigen sich bei einem Überblick über die Rechtsprechung immer wieder Fälle mit besonderer Ausprägung des Verschuldens, etwa bei besonders brutalem Verhalten des Schädigers, besonderer Verantwortungslosigkeit und zwar auch im Straßenverkehr, oder mit einem besonders geringen Verschulden.
Natürlich ist auch ein Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen, wie sich schon aus § 254 BGB ergibt. Insoweit hat der Tatrichter nicht etwa die von ihm ermittelte Verschuldensquote von einem ohne Berücksichtigung des Mitverschuldens gebildeten Schmerzensgeld abzuziehen. Vielmehr ist das Mitverschulden von vornherein – eventuell neben anderen den Schadensfall gleichfalls prägenden Umständen – in die Schmerzensgeldbemessung einzubeziehen. Daneben kann auch der Anlass der Verletzungshandlung eine Rolle spielen. Schon der Beschluss des Großen Zivilsenats von 1955 weist darauf hin, dass auch bei gleichem Grad des Verschuldens mehrere Handlungen ein erheblich unterschiedliches Gepräge haben können – etwa eine Verletzung aus Anlass der Befriedigung eines Vergnügens einerseits oder im Zusammenhang mit Berufsausübung, Nothilfeleistung oder sonstiger notwendiger Betätigung andererseits. Auch bei der Gefälligkeitsfahrt wird der Billigkeitsgedanke von der Rechtsprechung besonders betont. Familiäre Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem wirken sich grundsätzlich nicht aus. Eine Minderung des Schmerzensgeldes kommt bei besonderer Schadensanfälligkeit in Betracht. Ein baldiger Tod nach der Körperverletzung kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Kürzung oder Versagung von Schmerzensgeld führen.
Dass auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien berücksichtigt werden können, wenn sie dem Schadensfall ein besonderes Gepräge geben, kann jedenfalls nach dem Beschluss der Vereinigten Großen Senate vom September 2016 nicht mehr bezweifelt werden und bildete ja gerade die Vorlagefrage des 2. Strafsenats, auch wenn die Kommentierung bei Palandt in der neuesten Auflage noch immer zu zweifeln scheint. Richtig ist sicher, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse anders als bei § 829 BGB nicht im Vordergrund stehen, weil in dieser Vorschrift ausdrücklich darauf abgestellt wird, ob die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert. Jedenfalls kann von Bedeutung sein, ob hinter dem Schädiger eine Haftpflichtversicherung steht, während besonders ärmliche oder üppige Verhältnisse des Geschädigten für die Bemessung der Entschädigung keine Rolle spielen. Schließlich kann bei den Umständen des Falles auch eine besonders schleppende Schadensregulierung zu berücksichtigen sein, ohne dass allerdings ein Anspruch auf beschleunigte Abwicklung bestünde oder gar einklagbar wäre.
Bei der Bemessung ist auch die gesamte künftige Entwicklung der Verletzungsfolgen zu berücksichtigen, soweit sie voraussehbar ist. Solche Folgen, die bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt worden sind, weil sie erst nachträglich eintreten oder erkennbar werden, können – trotz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs – zu einem ergänzenden Anspruch führen, ohne dass die Rechtskraft des früheren Urteils entgegenstünde. Regelmäßig geht der Anspruch auf Zahlung als Kapital, bei schweren Dauerschäden daneben auf Rente, wenn die Beeinträchtigung immer wieder schmerzlich empfunden wird.
Unter dem Aspekt der Billigkeit ist auch ein weiteres Urteil des BGH zu sehen, wonach eine Schmerzensgeldrente nicht der Deckung eines konkret ermittelten Bedarfs dient und deshalb nicht unmittelbar an das Niveau der Lebenshaltung gebunden ist. Allenfalls bei deren Steigerung um mehr als 25 % kommt eine Anpassung der Rente in Betracht, wenn sie wegen dieser Steigerung ihre Funktion eines billigen Schadensausgleichs nicht mehr erfüllen kann.
Für Einzelheiten der Schmerzensg...