VVG § 19 § 31 § 193 Abs. 5 S. 4 Nr. 2 213; BGB § 126b § 166
Leitsatz
1. Verfügt der Versicherungsmakler des VN über die ihm elektronisch vom VR übermittelten Antragsfragen und beantwortet er sie auf gleichem Weg, so sind die Antragsfragen dem VN in Textform gestellt worden.
2. Mit der elektronischen Übermittlung einer korrekten Belehrung an den Versicherungsmakler ist der VN korrekt belehrt worden.
3. Ist der VN nach ärztlichen Untersuchungen gefragt worden und gibt er mehrere Untersuchungen wegen asthma bronchiale, Atemwegsbeschwerden und eines sinubronchialen Syndroms nicht an, so entlastet er sich von der Vorsatzvermutung nicht dadurch, dass er behaupte, es seien lediglich "Verdachtsuntersuchungen" gewesen.
4. Der VR genügt seiner Pflicht zur Einholung gestufter Schweigepflichtentbindungen, wenn er zunächst die von dem VN eingereichten Arztkostenabrechnungen prüft, sodann aufgrund einer Schweigepflichtentbindungserklärung den behandelnden Arzt befragt und aufgrund der Mitteilung der Anamnese durch eine weitere Schweigepflichtentbindungserklärung von den verschwiegenen Vorerkrankungen erfährt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
KG, Beschl. v. 14.12.2018 – 6 U 27/17
1 Aus den Gründen:
"… 1) Die objektiven Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt der Bekl. vom Versicherungsvertrag mit der Kl. liegen vor."
a) Die Bekl. hat mit Schreiben vom 27.10.2014 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag erklärt.
b) Die Kl. hat die ihr gem. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG obliegende Pflicht verletzt, die ihr bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, die für die Entscheidung der Bekl., den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der VR in Textform gefragt hat.
aa) Die Bekl. hat ihre Fragen in Textform gestellt.
(1) Für die Einhaltung der Textform genügt es gem. § 126b BGB, dass die Antragsfragen in lesbarer Form auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Dies ist jedes Medium, das es dem Empfänger erstens ermöglicht, die auf dem Medium enthaltenen Fragen so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist und zweitens geeignet ist, die Fragen unverändert wiederzugeben. Tritt der Antragsteller auf elektronischem Weg in Kontakt, so ist es nicht ausreichend, dass er die Antragsfragen auf einer Website des VR abrufen kann, vielmehr muss gewährleistet sein, dass er diese auf seinem Computer abspeichert oder diese selbst ausdruckt (…). Hierzu reicht auch ein Anhang in einer E-Mail aus.
(2) Hier hat sich die Kl. bei der Auswahl des VR und bei der Antragstellung der Hilfe eines Maklers bedient. Diesem Makler sind die Antragsfragen der Bekl. unstreitig in Textform zugegangen, denn er konnte die Antragsformulare an seinem Computer aufrufen, ausdrucken und auch an diesem Computer ausfüllen. Die Pflichten des vom VN beauftragten Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen (…). Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten VN als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet werden, der in dessen Lager steht und dessen Interessen wahrzunehmen hat (…). Er kann insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Der Gesetzgeber teilt diese Bewertung, wie sich an der Regelung des § 6 Abs. 6 VVG ablesen lässt. Danach ist der VR nicht verpflichtet, die Beratung des Antragstellers gem. § 6 Abs. 1 bis 5 VVG vorzunehmen, wenn der Vertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Diese Position des Maklers im Lager des Antragstellers spricht dafür, ihn als dessen Vertreter i.S.d. § 20 VVG anzusehen.
Dies bedeutet, dass die dem Makler in Textform auf elektronischem Weg auf seinem Computer zur Verfügung stehenden Antragsformulare als der Kl. zugegangen anzusehen sind, sobald sie für die konkrete Antragstellung verwendet werden (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl., § 19 Rn 50). Beim Ausfüllen des Antragsformulars durch den Makler sind damit die Fragen des VR in Textform gestellt, ohne dass es darauf ankommt, dass der Makler diese Formulare zuvor ausdruckt und dem Antragsteller zum Mitlesen bei der Ausfüllung aushändigt, oder ob er ihn auffordert, vor der Unterzeichnung des ausgedruckten Antrages die dort enthaltenen Angaben auf Richtigkeit sorgfältig zu prüfen. Diese für die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters, der für den VR in dessen Auftrag tätig wird, geltenden Grundsätze zur Wahrung der Fragestellung in Textform, sind auf das Handeln eines Maklers nicht übertragbar.
(3) Allerdings ist das Doppelrechtsverhältnis des Maklers zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 210, 277–292). (…)
Hier hat der Makler über ein Softwareprogramm auf seinem Computer das Antragsformular der Bekl. aufgerufen und verwendet. Der BGH hat in der Vergangenheit stets die Auffassung vertreten, dass der Makler nicht allein dadurch im Pflichtenkreis des VR tätig wird, weil er über dessen Antragsformulare verfügt und diese verwendet. Auch ein vom Versicherungsinteressent...