Hinweis

"Dass sich der Unfall so zugetragen hat, wie dies von der Klägerin/dem Kläger vorgetragen wird, ergibt sich auch aus einer Dashcam-Aufzeichnung. Zum Unfallzeitpunkt war im klägerischen Fahrzeug eine sog. Dashcam installiert. Diese zeichnete das gesamte Unfallgeschehen auf. Die Aufzeichnung befindet sich auf der als Anlage K 1 beigefügten CD-ROM."

Es wird beantragt, die Dashcam-Aufzeichnung gem. § 371 Abs. 1 ZPO in Augenschein zu nehmen. Weiterhin wird angeregt, gem. § 372 Abs. 1 ZPO sogleich die Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Einnahme dieses Augenscheins anzuordnen.

Die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnung zu Beweiszwecken ist zulässig. Zwar steht hier im Raum, dass die Dashcam-Aufzeichnung gegen datenschutzrechtliche Regelungen verstößt. Allerdings folgt hieraus kein Beweisverwertungsverbot (BGH NJW 2018, 2883).“

 

Erläuterung:

Es war lange Zeit in der Instanzrechtsprechung höchst umstritten, ob in einem Verkehrsunfallprozess sog. Dashcam-Aufzeichnungen verwertet werden dürfen oder nicht.

Diesen Streit hat der BGH beendet und entschieden, dass Dashcam-Aufzeichnungen auch dann als Beweis verwertet werden dürfen, wenn sie möglicherweise in unzulässiger Weise erlangt worden sind (BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17, BGHZ 218, 348-377, NJW 2018, 2883).

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall lag eine Dashcam-Aufzeichnung vor, die nicht nur das eigentliche Unfallgeschehen beinhaltete, sondern die Autofahrt über mehrere Stunden aufzeichnete. Sie erfolgte somit anlasslos und ohne Bezug zu einem konkreten Geschehen. Dies beanstandete der BGH als Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften und wies ausdrücklich darauf hin, dass derartige Verstöße mit Geldbußen geahndet werden können.

Dennoch ist eine solche Aufzeichnung im Prozess verwertbar. Sie unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot. Eine unzulässige oder gar rechtswidrige Beweiserhebung führt nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies ergibt sich aus einer Interessen- und Güteabwägung.

Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist, da er in der Öffentlichkeit stattfindet, nur als gering anzusehen. Dem steht gegenüber das Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung.

Die Frage, ob sich eventuell eine Zulässigkeit der Aufzeichnung dadurch ergeben kann, dass diese nur das eigentliche Unfallgeschehen aufzeichnet, lässt der BGH ausdrücklich unbeantwortet. Die Ausführungen in seinem Urteil hierzu lassen jedoch die Tendenz erkennen, dass eine solche Aufzeichnung zulässig sein könnte. Denn solche Aufnahmen unmittelbar vor, während und kurz nach dem Unfallgeschehen können mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit als noch erforderlich im Sinne des Datenschutzes angesehen werden.

Hat der Mandant eine Dashcam mit einem sog. Ringspeicher, der also nicht über Stunden, sondern nur das eigentliche Unfallgeschehen dauerhaft aufzeichnet, hat er gute Chancen, nicht nur den Verkehrsunfallprozess zu gewinnen, sondern auch ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zu vermeiden.

Die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnung erfolgt über einen Augenschein gem. § 371 ZPO. Es ist also ein entsprechender Beweisantrag zu stellen. Gleichzeitig sollte das Gericht gem. § 372 ZPO die Hinzuziehung eines Sachverständigen anordnen, denn nur er kann die Aufnahmen für eine Unfallrekonstruktion auswerten. Es empfiehlt sich, die Anregung dieser Anordnung mit dem Beweisantrag zu verbinden.

Autor: Martin Diebold

RA Martin Diebold, FA für Verkehrsrecht, Tübingen

zfs 5/2019, S. 246

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