Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Es ist in der Tat nichts dafür ersichtlich, warum das erstinstanzliche Verfahren vor der Verweisung einerseits und das erstinstanzliche weitere Verfahren nach der Verweisung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit darstellen sollen.
Gesetzliche Grundlagen
Das vom BGH gefundene Ergebnis ergibt sich m.E. bereits aus § 15 Abs. 2 RVG. Deutlich wird dies an der mit Wirkung zum 1.8.2013 aufgehobenen Fassung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, die lautete:
Zitat
"In gerichtlichen Verfahren kann er (der Rechtsanwalt) die Gebühren in jedem Rechtszug fordern."
Dies führt dazu, dass die Anwaltstätigkeit in verschiedenen gerichtlichen Verfahren stets auch zu verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten führt. Bei dem Zivilrechtsstreit vor dem LG Schwerin einerseits und bei dem nach Verweisung durchgeführten familiengerichtlichen Verfahren vor dem AG Schwerin andererseits handelt es sich eindeutig um verschiedene gerichtliche Verfahren, die hier – worauf es gebührenrechtlich allerdings nicht ankommt – auch noch verschiedenen Verfahrensordnungen unterliegen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Gesetzgeber habe durch das 2. KostRMoG die Bestimmung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG mit Wirkung zum 1.8.2013 aufgehoben. Der Gesetzgeber hat diese Regelung, die auch in der Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO über viele Jahrzehnte hinweg in Rspr. und Praxis unumstritten war, als unsystematisch angesehen und sie in die Bestimmung des § 17 Nr. 1 RVG transponiert.
Dort ist allerdings lediglich geregelt, dass das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind. Das ist aber etwas ganz anderes als die bisherige Gebührenregelung, wonach der RA in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann.
Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Auffassung vertreten, dass Änderungen hierdurch nicht eintreten sollten. Es ergebe sich nämlich bereits aus der Grundregelung in § 15 Abs. 2 S. 1 RVG, dass jeder Rechtszug eines gerichtlichen Verfahrens nach wie vor gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit darstellt. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/11471 (neu) S. 267) wörtlich:
Zitat
"Die Vorschrift (des § 15 RVG) kann wegen der vorgeschlagenen Änderung zur Einfügung einer neuen Nr. 1 in § 17 RVG … aufgehoben werden. Darin soll künftig bestimmt werden, dass jeder Rechtszug eines gerichtlichen Verfahrens gebührenrechtlich eine eigene Angelegenheit bildet. Dies soll jedoch nichts daran ändern, dass mehrere parallele Rechtsstreitigkeiten in jedem Fall jeweils gesonderte Angelegenheiten bilden. Damit reicht die Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG aus, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann."
Folglich stellt jedes gerichtliche Verfahren in jedem Rechtszug für den Anwalt auch nach der ab 1.8.2013 geltenden Rechtslage nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit dar. Umgekehrt folgt hieraus auch, dass der RA in verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig wird, wenn das Gericht verschiedene AZ vergeben hat.
Da hier das LG Schwerin einerseits und das AG Schwerin – FamG – nach Verweisung andererseits jeweils eigene Gerichtsverfahren unter jeweils einem eigenen Gerichtsaktenzeichen geführt haben, hat der Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigte der Bekl. in jedem dieser Verfahren eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG und (wohl auch) eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nebst Auslagen verdient.
Praktische Auswirkungen
Anwaltsgebühren
Vorliegend sind die Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten der Eheleute insgesamt in vier verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig gewesen, nämlich im:
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Zivilprozess vor dem LG Schwerin, |
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Berufungsverfahren vor dem ZS des OLG Rostock, |
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erstinstanzlichen Verfahren vor dem AG Schwerin – FamG – und im |
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Beschwerdeverfahren vor dem FamS des OLG Rostock. |
In jedem dieser Verfahren haben die Anwälte jeweils eine Verfahrensgebühr und – bei entsprechender Tätigkeit – auch jeweils eine Terminsgebühr verdient.
Einfluss auf die Kostenerstattung
Aufgrund der Kostenentscheidung des OLG Rostock hat dies für die Kostenerstattung folgende Folgen:
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Der Ehemann trägt die durch die Klageerhebung bei dem unzuständigen LG Schwerin veranlassten Mehrkosten. Das sind hier die außergerichtlichen Kosten vor dem LG Schwerin und dem ZS des OLG Rostock. Da das OLG Rostock in seiner Kostenentscheidung ferner angeordnet hat, dass die Gerichtskosten des erstinstanzlichen vor dem LG Schwerin durchgeführten Rechtsstreits und des anschließenden vor dem OLG Rostock durchgeführten Berufungsverfahrens wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben seien, kommt insofern eine Kostenerstattung keiner Partei in Betracht. |
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Demgegenüber hat die Ehefrau die Kosten der übrigen Rechtszüge des Verfahrens zu tragen, mithin die Kosten des Verfahrens vor dem AG Schwerin – FamG – und des sich anschließenden Beschwerdeverfahren... |