StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 11 Abs. 7, Abs. 8 § 46 Abs. 1 S. 2; FeV Anl. 4 Vorbemerkung Nr. 3, Nr. 9.2.1
Leitsatz
1. Jedenfalls ab einer Konzentration des THC-Metaboliten THC-COOH von 150 ng/ml im Blutserum steht aufgrund von gesicherter, auf rechtsmedizinischen Untersuchungen beruhender Erkenntnis fest, dass von einem regelmäßigen Cannabiskonsum auszugehen ist (wie Beschl. des BayVGH v. 24.4.2019 – 11 CS 18.2605, juris, Rn 13, insoweit Abdruck in VG Schleswig, zfs 2020, 117, 118 f.) mit der dort dargestellten Literatur und Rspr.).
2. Zwar gelten die in Anlage 4 zur FeV vorgenommenen Bewertungen nach Nr. 3 der Vorbemerkung nur für den Regelfall und Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und Verhaltensumstellungen sind möglich. Bei Zweifeln in dieser Hinsicht kann im Einzelfall eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein. Dabei obliegt es dann aber dem Betr. durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. auch BayVGH München, Beschl. v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807, juris, Rn 8).
3. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist im Rahmen eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ohne Beachtung einer "verfahrensrechtlichen" Jahresfrist bzw. sonstiger starrer zeitlicher Vorgaben grundsätzlich vom Fortbestand einer zuvor festgestellten oder feststellbaren Fahrungeeignetheit auszugehen, solange der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung aussteht (dies ebenfalls vertretend u.a. OVG NW, Beschl. v. 3.9.2010 – 16 B 382/10, juris, Rn 5 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 7.4.2014 – 10 S 404/14 zfs 2014, 355; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.3.2004 – 1 M 2/04 –, juris, Rn 30).
(Leitsätze der Schriftleitung)
OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 14.2.2020 – 5 MB 2/20
1 Aus den Gründen:
Die Beschwerde gegen den Beschl. des Schleswig-Holsteinischen VG v. 17.12.2019 ist unbegründet. (…)
Das VG ist zu der Auffassung gelangt, dass nach der nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung, das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der vom AG angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis vom 5.7.2019 gegenüber dem Aussetzungsinteresse des ASt. überwiege, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 2 FeV offensichtlich rechtmäßig sei. Nach Nr. 9.2.1 i.V.m. Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV werde ein Kraftfahrer, der regelmäßig Cannabis einnehme, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sein. Es sei aufgrund der bei der Untersuchung der Blutprobe des ASt. vom 19.3.2019 im Bericht des UKSH vom 13.5.2019 festgestellten Werte davon auszugehen, dass es sich bei dem ASt. im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV um einen regelmäßigen Konsumenten von Cannabis handele. Die Fahrungeeignetheit habe demnach nach § 11 Abs. 7 FeV festgestanden und die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur weiteren Aufklärung sei nicht notwendig gewesen. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege auch unter Berücksichtigung der beruflichen und persönlichen Folgen für den ASt. Denn selbst erhebliche Folgen für die wirtschaftliche Existenzgrundlage müsse der Betr. angesichts des von ungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben anderer hinnehmen.
Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschl. im Ergebnis nicht in Frage.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis des ASt. ist zutreffend § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 2 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein solcher Fall liegt gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 FeV insbesondere dann vor, wenn Erkrankungen oder Mängel im Sinne der Anlage 4 der FeV vorliegen. Nach Nr. 9.2.1 i.V.m. der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV wird ein Kraftfahrer, der regelmäßig Cannabis einnimmt, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen.
Soweit der ASt. vorträgt, dass er kein regelmäßiger Konsument von Cannabis sei, weil dies einen täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsum voraussetze, was bei ihm nicht der Fall sei, setzt er sich bereits nicht ausreichend mit den Ausführungen des VG auseinander. Das VG hat zur Begründung der Feststellung, dass ein regelmäßiger Cannabiskonsum vorliege, auf die Ergebnisse der Blutprobe vom 19.3.2019 verwiesen. Danach betrug die Konzentration des THC-Abbauproduktes THC-COOH im Blut des ASt. 250 ng/ml. Das VG hat hierzu festgestellt, dass jedenfalls ab einer Konzentration des THC-Metaboliten THC-COOH von 150 ng/ml im Blutserum aufgrund von gesicherter, auf rechtsmedizinischen Untersuchungen beruhender Erkenntnis von einem...