RVG § 15 Abs. 3 § 15a § 49; VV RVG Nrn. 2503 3100 3101 Nr. 1
Leitsatz
Die Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2503 Abs. 2 hat zunächst auf die Verfahrensgebühr zu erfolgen, für die Beratungshilfe geleistet worden ist. Danach erfolgt die Ermittlung der Kappungsgrenze nach § 15 Abs. 3 RVG.
LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 23.12.2019 – 2 Ta 100/19
Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hatte die spätere Kl. im Rahmen der Beratungshilfe (BerHi) in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit vertreten. Für seine Tätigkeit hat er aus der Landeskasse gem. §§ 44 RVG folgende Gebühren und Auslagen erhalten:
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG |
85,00 EUR |
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
17,00 EUR |
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
+19,38 EUR |
Summe: |
121,38 EUR |
Im Anschluss hieran hat der Anwalt für die Kl. beim ArbG Lübeck Kündigungsschutzklage gegen zwei ordentliche Kündigungen ihres Arbeitsverhältnisses erhoben. In dem Gütetermin schlossen die Parteien einen verfahrensbeendenden Vergleich. Das ArbG hat den Streitwert für die Klage auf 4.800 EUR und für den Vergleich mit einem diesen Streitwert übersteigenden Betrag in Höhe von 1.066 EUR festgesetzt. Außerdem hat das ArbG der Kl. im Gütetermin PKH ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt.
In seinem Antrag auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung teilte der Rechtsanwalt mit, er habe aus der Landeskasse Gebühren und Auslagen für die Gewährung von BerHi in Höhe von 121,38 EUR erhalten. Ferner machte er für die Vertretung in dem Kündigungsschutzprozess – soweit hier von Interesse – folgende Gebühren geltend:
1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 4.800 EUR) |
334,10 EUR |
hierauf nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 2503 VV RVG anzurechnen: ½ Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG |
42,50 EUR |
Rest: |
291,60 EUR |
2. 0,8 Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV RVG (Wert: 1.066 EUR) |
92,00 EUR |
Zwischensumme: |
383,60 EUR |
zu 1. und 2. gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 Verfahrensgebühr (Wert: 5.866 EUR) |
347,10 EUR |
Insgesamt somit: |
347,10 EUR |
Die Rechtspflegerin (richtig: Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle) hat in ihrem Festsetzungsbeschluss gem. § 55 RVG die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr anders als der Rechtsanwalt durchgeführt:
1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 4.800 EUR) |
334,10 EUR |
2. 0,8 Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV RVG (Wert: 1.066 EUR) |
92,00 EUR |
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als eine 1,3 Verfahrensgebühr (Wert: 5.866 EUR) |
347,10 EUR |
hierauf nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 2503 VV RVG anzurechnen: ½ Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG |
– 42,50 EUR |
Summe: |
304,60 EUR |
Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts hat das ArbG Lübeck zurückgewiesen und gegen seine Entscheidung die Beschwerde zugelassen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Anwalts hatte beim LAG Schleswig-Holstein Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… II."
Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3–6 RVG zulässig, da das Arbeitsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt worden.
In der Sache selbst ist die Beschwerde begründet. Der Klägerinvertreter hat Anspruch darauf, dass die ihm gegenüber festzusetzende Vergütung in Höhe von 1.294,72 EUR festgesetzt wird. Die seitens des Arbeitsgerichts im Beschl. v. 17.5.2019 vorgenommene Vergütungsfestsetzung in Höhe von 1.244,15 EUR ist nicht korrekt berechnet.
Nach der VV RVG Nr. 2503 Abs. 2 ist die Geschäftsgebühr in Höhe von 85,00 EUR auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Voraussetzung für die Gebührenanrechnung ist, dass sich die Gegenstände im Rahmen der Beratungshilfetätigkeit und des sich anschließenden Verfahrens zumindest teilweise decken (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 24. Aufl., Nrn. 2500-2508 VV RVG Rn 41). Dies ist vorliegend der Fall, da der Klägerinvertreter für eine vorgenommene Beratungshilfe in diesem Verfahren 121,38 EUR erhalten hat.
Entscheidend kommt es darauf an, dass der Klägerinvertreter nach § 15 Abs. 3 RVG durch die vorzunehmende Kappung nicht mehr als 347,10 EUR erhalten kann. Dies folgt aus § 15 Abs. 3 RVG: Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr. Dies sind 5,866,00 EUR mit einer 1,3 Gebühr, demgemäß 347,10 EUR.
Streitig ist nunmehr, ob die hälftige Geschäftsgebühr in Höhe von 85,00 EUR von der 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 334,10 EUR abzuziehen ist oder von der Obergrenze nach § 15 Abs. 3 RVG mit einem Wert von 1,3 aus 5.866,00 EUR. Die erste Variante wäre für den Klägerinvertreter günstiger, da sie in der Summe zu einer festzusetzenden Vergütung in Höhe von 1.294,72 EUR führt.
Richtigerweise ist erst die Geschäftsgebühr auf die Gebühr nach VV RVG 3100 anzurechnen und sodann zu ermitteln, ob die Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG überschritten wird (OLG München, BeckRS 2012, 59...