Zur Haftungsquote bei unfallursächlicher Geschwindigkeitsüberschreitung des Vorfahrtberechtigten vgl. OLG Hamm zfs 2017, 16.

1) Häufig wird in Vorfahrtsfällen von dem Wartepflichtigen, gegen den bei einer Kollision ein Anscheinsbeweis aus den in der Entscheidung angeführten Gründen spricht (Rn 10–13), eingewandt, aufgrund unzureichender Sichtverhältnisse sei das vorfahrtsberechtigte Fahrzeug nicht sichtbar gewesen. Da eine Pflicht zur Beachtung der Vorfahrt nur dann besteht, ist diese Frage durch Einholung eines Sichtgutachtens, insbesondere durch Auswertung von Lichtbildern zu klären.

2) Bedeutsam ist die Bestimmung der Unfallursächlichkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung für einen Unfall. Der hierzu von dem BGH in einer Entscheidung vom 25.3.2003 entwickelte Begriff (VersR 2003, 783) der kritischen Verkehrslage bietet eine griffige Bestimmungsmöglichkeit. Für einen Verkehrsteilnehmer beginnt die kritische Verkehrslage in dem Zeitpunkt, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anlass dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar bevorsteht. Das ist dann der Fall, wenn sich ihm eine Reaktionsaufforderung aufdrängt. Mit dieser Begriffsbestimmung wird es ausgeschlossen, eine Ursächlichkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung bereits dann zu bejahen, wenn das Fahrzeug – möglicherweise lange vor dem Unfallereignis – mit überhöhter Geschwindigkeit bewegt wurde und sich bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit erst nach der dann gedachten Kollision an der Unfallstelle befunden hätte. Ein Rückgriff auf lange vor der kritischen Verkehrslage liegende Verkehrsverstöße des Vorfahrtberechtigten ist nicht mehr möglich.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 5/2020, S. 258 - 260

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