Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann zwar nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre, die unfallfremden Faktoren sind allerdings für Dauer und Höhe des Schadenersatzanspruches (u.a. unter dem Aspekt der überholenden Kausalität oder des eingeschränkten körperlichen und psychischen Leistungsvermögens) von Bedeutung.
I. Überholende Kausalität, Reserveursache
Führt eine Ursache (z.B. Verkehrsunfall) den Erfolg herbei und verhindert damit, dass eine andere – auch hypothetisch zu betrachtende – Kausalkette (z.B. schwere Erkrankung, konjunktureller Arbeitsplatzverlust) sich ganz oder teilweise früher oder später auswirkt, kann die Ersatzpflicht gemindert oder ausgeschlossen sein. Soweit insbesondere Erwerbsschäden, Heilkostenbedarf und vermehrte Bedürfnisse infolge einer bereits vorhandenen Erkrankung bzw. Disposition auch ohne das schadenstiftende Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder teilweise eingetreten wären (sog. Reserveursache), ist die Schadenersatzpflicht auf diejenigen Nachteile beschränkt, die durch den früheren Schadenseintritt bedingt sind.
In diesem Fall ist der Schaden dem Schädiger nicht bzw. nur teilweise zuzurechnen. Ist eine Schadensanlage vorhanden, die zum gleichen Schaden geführt hätte, so ist die Schadenersatzpflicht auf diejenigen Nachteile beschränkt, die durch den früheren Schadenseintritt bedingt sind. Aus Schädigersicht stellt sich jedoch das Problem, dass die Beweislast für den späteren Eintritt des Schadens beim Schädiger liegt. Diesen Beweis wird der Schädiger häufig nicht führen können.
II. Rechtsprechung
Aber auch wenn die überholende Kausalität nicht zu beweisen ist, ist die Schadenanlage oder die Vorschädigung für die Bemessung des Schadens nicht ohne Bedeutung. Die nachfolgenden Ausführungen gelten nicht nur für die Berechnung des Verdienstausfalles sondern auch für den Haushaltsführungsschaden.
1. BGH Urt. v. 11.11.1997 – VI ZR 376/96
a)
In der Entscheidung des BGH v. 11.11.1997 ging es um die Ersatzpflicht für einen eingetretenen Verdienstausfall.
Der Geschädigte war bei einem Verkehrsunfall mit seinem Kopf an den Türrahmen gestoßen. Bei der anschließenden ambulanten und röntgenologischen Untersuchung in einem Krankenhaus wurde bei grob neurologisch unauffälligem Befund eine Schädelprellung bei HWS-Schleudertrauma ohne äußere Anzeichen oder Anzeichen für eine Gehirnerschütterung festgestellt. Der behandelnde Arzt stellte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für 5 Tage aus. Er hielte eine ambulante hausärztliche Betreuung für ausreichend. In der Folgezeit klagte der Kläger jedoch über weitere körperliche Beschwerden, insbesondere über Lähmungserscheinungen. Diese Beschwerden führte er auf den erlittenen Unfall zurück. Er gab aufgrund der Beschwerden den weiteren Betrieb seines Möbelgeschäftes ein Jahr nach dem Unfall auf. Er begehrte nun ein weiteres Schmerzensgeld und die Erstattung des Verdienstausfalles von monatlich 3.500 DM.
Die Klage blieb in den Instanzen ohne Erfolg. Das OLG ging davon aus, dass die Beschwerden des Klägers nicht auf organischen Veränderungen anlässlich des Unfalls beruhen. Vielmehr handele es sich um psychogene Körperstörungen. Der vom OLG angehörte Sachverständige ging von einer sog. narzisstischen Persönlichkeitsstörung des Klägers aus, die in Verbindung mit beruflichen und partnerschaftlichen Problemen durch den Unfall aktiviert worden sei. Dadurch habe der Kläger die ursprünglich aufgrund der Unfallverletzung vorhandenen Beschwerden akzentuiert und ausgebaut. Hierbei hätten auch Sicherungs- und Entschädigungswünsche eine Rolle gespielt. Die psychischen Unfallfolgen seien lediglich rein zufällig durch das Unfallgeschehen ausge...