BGB § 241 Abs. 2 § 280 Abs. 1, 631
Leitsatz
1) Wird einer Reparaturwerkstatt ein konkreter, eingeschränkter Reparaturauftrag erteilt, ist sie nicht verpflichtet, sämtliche Teile des zu reparierenden Kfz, an dem sie ihre Werkleistung zu erbringen hat, ohne erweiterten Reparaturauftrag zu überprüfen.
2) Erkennt oder kann die sachkundige Werkstatt bei der Reparatur einen über den Reparaturauftrag hinausgehenden, die Betriebssicherheit des Kfz beeinträchtigenden Mangel erkennen, besteht gegenüber dem Kunden eine Mitteilungspflicht, damit dieser eine Entschließung über Maßnahmen zur Beseitigung dieses Mangels herbeiführen kann.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Koblenz, Urt. v. 18.7.2019 – 1 U 242/19
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die beklagte Automobilwerkstatt auf Ersatz von Unfallschäden mit der Begründung in Anspruch, die Werkstatt habe bei der Vornahme erbrachter Werkleistungen gegenüber der Kl. Nebenpflichten verletzt und hierdurch Schäden der Kl. herbeigeführt. Die Kl. hatte ein Motorrad gekauft, das über eine elektronisches Bremssystem verfügte.
Solange das Fahrzeug steht, bauen Fuß- und Handbremshebel wie bei einer üblichen hydraulischen Bremse Druck in der Bremspumpe auf, der über die Bremsschläuche hin zum Bremssattel gelangt und die Bremsbeläge an die Bremsscheibe drückt. Sobald sich das Fahrzeug in Bewegung setzt, wird jedoch der direkte Fluss der Bremsflüssigkeit von der Pumpe zur Bremse hin von der sogenannten "Valve Unit" unterbrochen. Der gewünschte Bremsdruck wird dann von einem Sensor gemessen und ein Steuergerät (ECU) sorgt dafür, dass der nötige Druck aufgebaut und in Richtung der Bremszange weitergegeben wird. Auch eine hydraulische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterbremse besteht nicht mehr, für eine optimale Bremslastverteilung sorgt das Steuergerät. Dieses erzeugt beim Betätigen der Bremse durch den Fahrer auch einen künstlichen Gegendruck im Bremshebel, so dass der Fahrer das Gefühl hat, auf herkömmliche Weise zu bremsen. Bei einem Ausfall dieser Elektronik steht dem Fahrer automatisch wieder die hydraulische Bremsanlage zur Verfügung und die Verzögerung der Geschwindigkeit wird wieder durch die direkte Verbindung von Bremshebel zu Bremszylinder ausgelöst.
Die Kl. brachte das Motorrad wegen eines Defekts des Tachometers in die Werkstatt der Bekl. In dem schriftlichen Werkstattauftrag wurde vermerkt: "Tachometer prüfen – ohne Funktion". Über die Bremsen des Motorrades wurde nicht gesprochen. Die Bekl. tauschte die Batterie des Motorradres aus und nahm eine Probefahrt vor. Dabei wurde festgestellt, dass der Tachometer funktionierte. Die Kl. holte das Motorrad ab und fuhr in Richtung ihres Wohnortes. Nach wenigen Kilometern fuhr die Kl. ungebremst in eine Leitplanke und erlitt erhebliche Verletzungen.
Die Kl. hat behauptet, bei der Einfahrt in die Kurve drei Mal vergeblich die Bremse betätigt zum haben. Die Bekl. habe den Reparaturauftrag unzulänglich ausgeführt, da sie auf die Gefahr eines Bremsversagens hätte hinweisen müssen. Probleme an der Elektronik könnten bei diesem Motorradtyp auch Bremsprobleme nach sich ziehen. Anhaltspunkte für diese Gefahr sei das Ausfallen des Hauptlichtes gewesen, das die Kl. gegenüber der Werkstatt bei der Auftragserteilung erwähnt habe.
Die Bekl. hat dazu vorgetragen, dass sich der Reparaturauftrag auf den Tachometer beschränkt habe, zwischen Batteriewechsel und Bremswirkung bestehe kein Zusammenhang. Da der Ausfall der elektronisch gesteuerten Bremse nicht durch eine Kontrollleuchte angezeigt worden sei, habe die Kl. nicht gebremst. Die Thermische Belastung der Bremsflüssigkeit sei allein auf die übermäßige Beanspruchung der Bremsanlage durch die Kl. zurückzuführen, was ihr bekannt gewesen sei.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"Die Berufung der Kl. ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg."
Das LG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kl. wegen ihrer erlittenen Unfallschäden gegen die Bekl. kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld aus §§ 631, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 253 BGB zusteht, denn die Bekl. hat keine werkvertraglichen Nebenpflichten verletzt.
1. Nach allgemeinen Grundsätzen treffen den Unternehmer bei einem Werkvertrag nebenvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten, deren Inhalt und Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, insbesondere nach dem Beratungsbedarf des Bestellers und dem Fachwissen des Unternehmers, von dessen Vorhandensein im erforderlichen Umfang der Besteller ausgehen kann. Der Unternehmer ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Besteller auf alle Umstände hinzuweisen, die dieser nicht kennt, deren Kenntnis aber für dessen Willensbildung und Entschlüsse hinsichtlich des Werks von Bedeutung sind. Erkennt oder kann bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eine Kfz-Werkstatt einen die Betriebssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigenden Mangel erkennen, dann begründet dies dem Kunden gegenüber eine Mitteilungspflicht, damit dieser eine Entschließung über Maßnahmen zur Beseitig...