VVG § 86
Leitsatz
1. Hat ein Kaskoversicherer den Reparaturbetrag an den VN gezahlt und erwirkt dieser ein Urteil gegen den Unfallgegner auf Zahlung u.a. dieses Reparaturbetrages ohne offenzulegen, dass er seine Kaskoversicherung in Anspruch genommen hat, so hat der Kaskoversicherer einen Anspruch auf Rückzahlung des verauslagten Betrages aus § 86 VVG.
2. Sofern der Rechtsanwalt den Betrag von der Gegenseite erhalten und noch nicht an den VN ausgekehrt hat, so ist er verpflichtet, diesen Betrag gemäß § 86 VVG i.V.m. §§ 675, 667 BGB an den Kaskoversicherer zu zahlen.
3. Dies gilt auch dann, wenn der VN zwischenzeitlich Insolvenz angemeldet hat, sofern der Anspruch bereits zuvor übergegangen ist. Zahlt der Rechtsanwalt trotz Kenntnis vom Anspruchsübergang dennoch an den Insolvenzverwalter, wird dieser nicht gemäß § 407 BGB gegenüber dem Kaskoversicherer von der Leistung befreit.
(Leitsätze der Einsenderin)
OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2019 – 28 U 184/18 (rechtskräftig)
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die beklagten Rechtsanwälte aus übergegangenem Recht auf Weiterleitung des an sie gezahlten Betrages in Anspruch. Diesen Betrag hatten die Rechtsanwälte vom Unfallgegner aufgrund eines für den VN erwirkten Urt. erhalten, jedoch aufgrund dessen Insolvenz an den Insolvenzverwalter ausgezahlt.
Die Kl. war Haftpflicht- und Kaskoversicherer eines vom Inhaber der Firma … gehaltenen Sattelzuges. Das Fahrzeug wurde am 4.2.2012 auf der BAB 44 in einen Verkehrsunfall mit einem Audi A6 verwickelt. Weil der Unfallhergang streitig war, nahm der VN der Kl. zunächst die Kl. als Kaskoversicherer auf Zahlung der Reparaturkosten in Anspruch. Die Kl. beglich den Rechnungsbetrag i.H.v. 15.875,41 EUR – reduziert um die Selbstbeteiligung – am 26./27.6.2012 direkt an den Reparaturbetrieb.
Am 17.7.2012 erhob der Halter des gegnerischen Unfallfahrzeuges Klage gegen den Fahrer des Sattelzuges sowie gegen den VN als Halter und gegen die Kl. selbst, die auf eine Verurteilung zur Zahlung von 5.895,04 EUR gerichtet war, mit der Begründung, der Unfall sei überwiegend vom Fahrer des Sattelzuges verursacht worden. Die Beteiligten ließen sich von den hiesigen Bekl. vertreten. Für den VN erhob die beklagte Kanzlei am 8.8.2012 Klage auf Zahlung von 18.790,78 EUR gegen den Fahrer, den Halter und dessen Haftpflichtversicherer mit der Begründung, der Unfall sei überwiegend durch den Audi A6-Fahrer verursacht worden. Im Klagebetrag enthalten waren auch die von der Kl. übernommenen Reparaturkosten für den Sattelzug. Mit Urt. v. 20.6.2013 wurde die Klage gegen den Fahrer, den VN und die hiesige Kl. abgewiesen und der Klage des VN vollumfänglich stattgegeben. Der ausgeurteilte Betrag wurde am 24.7.2013 an die Bekl. gezahlt. Mit Beschl. v. 1.11.2013 wurde über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 22.5.2014 forderte die Kl. die beklagte Kanzlei auf, den auf die Reparaturkosten entfallenden Betrag i.H.v. 15.875,41 EUR auszukehren. Dennoch zahlte die beklagte Kanzlei – auf Aufforderung des Insolvenzverwalters – den Betrag von 15.875,41 EUR am 7.7.2014 an diesen.
2 Aus den Gründen:
"… Das Ergebnis der gebotenen umfassenden Würdigung ist, dass der Kl. gegen die Bekl. zwar nicht aus den §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) aber aus den §§ 667, 675 BGB i.V.m. § 86 VVG ein Anspruch auf Auskehr des den Bekl. von den früheren Unfallgegnern zugeflossenen Betrages i.H.v. 14.875,41 C zusteht."
1.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Kl. aus den §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB liegen nicht vor.
Zweifelhaft ist schon, ob die Bekl. ein objektiv fremdes Geschäft für die Kl. geführt haben, als sie am 8.8.2012 namens und mit Vollmacht des VN der Kl. die auf die §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB, 3 PflVG gestützte und (auch) auf Ersatz der Reparaturkosten für den Sattelzug gerichtete Klage im Vorprozess erhoben und im Anschluss an das Urt. des LG A von den Unfallgegnern die für ihren Mandanten bestimmte Zahlung entgegengenommen haben. Denn die Bekl. haben die Klage auftragsgemäß als (Prozess-)Vertreter ihres Mandanten (…) erhoben und als dessen Prozessvertreter auch die Zahlung der Unfallgegner entgegengenommen. Anlass und Rechtsgrund für ihr Tätigwerden war die aus dem Anwaltsvertrag resultierende Verpflichtung hierzu, was es als naheliegend erscheinen lässt, dass die Bekl. ein eigenes Geschäft wahrgenommen haben.
Selbst wenn aber die klageweise Geltendmachung der für die Reparatur des Sattelzuges angefallenen Kosten i.H.v. 14.875,41 EUR und die spätere Entgegennahme dieses Betrages nach Zahlung durch die Unfallgegner objektiv (auch) dem Rechtskreis der gemäß § 86 VVG schon vorher – im Juni 2012 – Anspruchsinhaberin gewordenen Kl. zugeordnet wird, fehlt es an dem für die §§ 677, 681 S. 1, 667 BGB erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen der Bekl. Dieser wird entgegen der Einschätzung der Kl. dann, wenn der Geschäftsführer eine ihm obliegende vertragliche Verpflichtung wahrnimmt, nicht ohne Weiteres sondern nur dann vermutet, wenn der Geschäftsführer nicht nur in Erfüllung seiner eigenen ...