VVG § 86 § 126; VAG § 164
Leitsatz
1. § 126 Abs. 2 VVG begründet keine gesetzliche Prozessführungsbefugnis des Schadensabwicklungsunternehmens zur Geltendmachung von gemäß § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangenen Regressansprüchen.
2. Zur Annahme einer gewillkürten Prozessführungsbefugnis aus einem Ausgliederungsvertrag zwischen dem Rechtsschutzversicherer und einem Schadensabwicklungsunternehmen (hier bejaht).
3. Bei einer Klage in gewillkürter Prozessstandschaft tritt die verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist. Dafür genügte es, dass die Klagepartei offenlegte, dass sie als Schadensabwicklungsunternehmen auftrete und Auskunfts- sowie Zahlungsansprüche des Rechtsschutzversicherers geltend mache.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.1.2021 – 12 U 216/20
Sachverhalt
Die Kl. verlangt von dem Bekl. Rückzahlung geleisteter Vorschüsse. Die Kl. ist als Schadensabwicklungsunternehmen im Rahmen der Abwicklung von Rechtsschutzversicherungsfällen für die A Vers-AG tätig. Im Oktober 2016 haben die Kl. und die A. Vers-AG einen "Ausgliederungsvertrag über die Rechtsschutz-Leistungsbearbeitung" geschlossen, in dem u.a. Folgendes vereinbart wurde:
"§ 1 Vertragsgegenstand"
1. Die A. Vers-AG überträgt die gesamte (…) Leistungsbearbeitung in der Rechtsschutzversicherung auf die A. RS-Service GmbH.
§ 2 Vollmacht
1. Die A. Vers-AG bevollmächtigt die A. RS-Service GmbH, die A. Vers-AG gerichtlich oder außergerichtlich bei allen Rechtsgeschäften, insbesondere auch der Regressführung, zu vertreten, die im Zusammenhang mit der Erbringung der vertragsgegenständlichen Leistungen stehen.“
Der Bekl. ist Rechtsanwalt. Er wurde von seinem Mandanten, Herrn A., mit der Vertretung in drei Prozesskostenhilfeverfahren vor dem LG B. beauftragt. Die Prozesskostenhilfeanträge wurden zurückgewiesen.
A. unterhielt eine Rechtsschutzversicherung bei der A. Vers-AG. Die Kl. hatte für die genannten Verfahren eine Deckungszusage erteilt und Vorschüsse an den Bekl. ausgezahlt, die der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig sind. Streitig ist, welchen Umfang die Deckungszusage hatte und welche Gebührentatbestände angefallen sind.
2 Aus den Gründen:
"… Die Berufung ist zulässig, hat jedoch nur insoweit Erfolg, als das LG den Bekl. gem. dem Hauptantrag zur Zahlung an die Kl. verurteilt hat. Dagegen ist der in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag, gerichtet auf Zahlung an die A. Vers-AG zulässig und in vollem Umfang begründet."
1. Der Hauptantrag ist mangels Prozessführungsbefugnis der Kl. unzulässig, der Hilfsantrag dagegen zulässig.
a) Unerheblich ist, dass der Bekl. den Einwand fehlender “Aktivlegitimation' erstinstanzlich nur gegenüber dem Auskunftsanspruch, aber nicht mehr gegenüber dem Zahlungsanspruch geltend gemacht hat. Hier geht es um die Frage der Prozessführungsbefugnis der Kl. als Schadensabwickfungsunternehmen; diese ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGH, zur fehlenden passiven Prozessführungsbefugnis des RechtsschutzVR im Anwendungsbereich des § 126 Abs. 2 S. 1 VVG).
b) Die Kl., bei der es sich um ein Schadensabwicklungsunternehmen i.S.v. § 126 VVG und § 164 VAG handelt, macht mit der Klage keinen eigenen Anspruch, sondern einen Anspruch der A. Vers-AG geltend. Ansprüche des VN gegen den mit der Vertretung beauftragten Rechtsanwalt auf Erstattung nicht verdienter Vorschusszahlungen gehen nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG bzw. nach § 20 (2) ARB 75 mit ihrer Entstehung auf den VR d.h. hier auf die A. Vers-AG, über. Im Falle der Funktionsausgliederung i.S.v. § 164 VAG bleibt Vertragspartner des VN der RechtsschutzVR; die Leistung an den VN wird in Erfüllung einer Verbindlichkeit des RechtsschutzVR erbracht (BGH). Aus § 126 Abs. 2 S. 1 VVG ergibt sich lediglich eine gesetzliche Prozessstandschaft des Schadensabwicklungsunternehmens für Deckungsklagen eines VN; materiell-rechtlich Verpflichteter aus dem Versicherungsvertragsverhältnis bleibt der VR (…).
c) Ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft liegt hier nicht vor. Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, § 126 Abs. 2 VVG sei analog auf Aktivklagen gegen einen Rechtsanwalt anzuwenden (AG München, Urt. 29.4.2016 – 224 C 27412/15, juris; BeckOK-VVG/Filthuth, 9. Edition § 126 Rn 15a; Jungermann, r+s 2019, 15, 16), folgt der Senat dem jedenfalls für die hier vorliegende Klage auf Rückforderung nicht verdienter Vorschusszahlungen nicht. § 126 Abs. 2 VVG begründet nach seinem eindeutigen Wortlaut nur eine passive Prozessstandschaft für die Geltendmachung von Ansprüchen auf die Versicherungsleistung und ist als Ausnahmeregelung grds. nicht auf Aktivprozesse gegen den anwaltlichen Vertreter des VN anzuwenden (OLG, Jena, Urt. v. 5.7.2019 – 4 U 359/18, juris). Auch der Sinn und Zweck der Regelung erfordert hier keine analoge Anwendung. Die Regelung bezweckt die Vermeidung von Interessenkollisionen bei einem Kompositversicherer, der zusammen mit der Rechtsschutzversicherung noch andere Versicherungssparten betreibt. Die...