Der Beschluss des OLG Hamm entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der die Aufhebung oder Abänderung einer vorangegangenen rechtskräftigen Kostenentscheidung in einer Kostenregelung eines Vergleichs dem Vergleichstext regelmäßig eindeutig entnommen werden muss. Enthält der Prozessvergleich oder – wie hier – der außergerichtliche Vergleich keine entsprechende ausdrückliche Regelung der Parteien hinsichtlich der rechtskräftigen Kostenentscheidung, ist davon auszugehen, dass der Vergleich diese Kostenentscheidung eben nicht abändern oder gar aufheben wollte (s. auch BGH zfs 2022, 159 m. Anm. Hansens).
Im Fall des BGH hatte dies zur Folge, dass es hinsichtlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens bei der Kostenentscheidung nach § 494a ZPO im Beschluss des LG vom 5.8.2019 und dem auf dieser Entscheidung fußenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.3.2020 verbleibt, wonach der Antragsteller an den Antragsgegner 6.663,30 EUR zu erstatten hat. Die Kostenregelung im Vergleich vom 12.2.2020, wonach der Antragsteller 9/10 und der Antragsgegner 1/10 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, erfasste dann nur noch die übrigen Kosten des Rechtsstreits. Im Fall des OLG Hamm hier ergab sich die Folge, dass die Kosten der Berufung aufgrund des nach § 516 Abs. 3 ZPO ergangenen Kostenbeschlusses des OLG Hamm v. 24.9.2019 allein der Kläger zu tragen hatte und der auf ihm zugunsten der Beklagten ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss v. 7.12.2019 ungeachtet der Kostenregelung im notariellen Vergleich weiter Bestand hatte.
Das Hauptaugenmerk der Prozessbevollmächtigten bei Vergleichsverhandlungen richtet sich oft darauf, für den Mandanten ein möglichst günstiges Ergebnis in der Hauptsache zu erzielen. Bei so manchem Rechtsanwalt schwindet jedoch die Aufmerksamkeit, wenn es bei den Vergleichsverhandlungen um Nebenregelungen wie die Zahlungsmodalitäten oder die Kosten geht. Dabei zeigen die Fälle des BGH, a.a.O. und des OLG Hamm, wie wichtig es ist, die Kostenregelungen in einem Vergleich auf die konkrete Fallgestaltung abzustellen. Der Rechtsanwalt der Beklagten hatte hier naturgemäß kein Interesse daran, die Kosten des Berufungsverfahrens bei den Vergleichsverhandlungen auch nur anzusprechen. Denn zu ihren Gunsten war ja der Kostenbeschluss vom 24.9.2019 ergangen, aufgrund dessen sie den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.12.2019 erwirkt hatte.
Folglich hatte hier allein der Rechtsanwalt des Klägers ein Interesse daran, auch die Kosten des Berufungsverfahrens in die Vergleichsverhandlungen mit einzubeziehen. Ob solche Verhandlungen überhaupt Aussicht auf Erfolg gehabt hätten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Rechtsanwalt muss jedoch hierzu erst einmal das entsprechende Problembewusstsein haben, um überhaupt die bereits rechtskräftig entschiedenen Kosten des Berufungsverfahrens in die Vergleichsverhandlungen einzubeziehen. Das setzt bei dem Rechtsanwalt auch die Kenntnis von der Rechtsprechung des BGH voraus, wonach die Parteien in einem Vergleich zwar eine vorher ergangene Kostenentscheidung, auch wenn sie rechtskräftig geworden ist, abändern können, dies sich jedoch eindeutig dem Wortlaut des Vergleichs entnehmen lassen muss.
Dem Wortlaut der Kostenregelung in § 7 des notariellen Vertrages ist dies jedoch nicht zu entnehmen. Es kommt noch hinzu, dass sich aus den vor Abschluss des notariellen Vergleichs gewechselten Schriftsätzen ergeben hat, dass die Beklagte lediglich eine Vereinbarung über die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz für erforderlich hielt. Der Kläger hatte den Notar gebeten, die Urkunde entsprechend vorzubereiten.
Hätten die Parteien in den notariellen Vergleich eine Kostenregelung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens treffen wollen, hätten sie etwa folgende Formulierung wählen müssen:
Zitat
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz – LG Essen Az. 9 O 34/19 – und der Berufungsinstanz – OLG Hamm Az. … – werden gegeneinander aufgehoben. Insoweit wird der Kostenbeschluss des OLG Hamm vom 24.9.2019 – Az. … . – abgeändert.
Damit wird auch der auf der Grundlage des Kostenbeschlusses des OLG Hamm v. 24.9.2019 ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Essen v. 7.12.2019 gegenstandslos. Die Beklagte verzichtet gegenüber dem Kläger, der diesen Verzicht annimmt, auf sämtliche Rechte aus diesem Kostenfestsetzungsbeschluss und wird die vollstreckbare Ausfertigung dieses Kostenfestsetzungsbeschlusses umgehend an den Kläger herausgeben.
Mit einer solchen eindeutigen Formulierung wird klargestellt, dass die Parteien sich auch über die bereits rechtskräftig entschiedenen Kosten des Berufungsverfahrens einigen wollten und dass aus dem bereits erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss keine Rechte mehr hergeleitet werden sollen.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 5/2022, S. 286 - 289