StVG § 7 Abs. 1; BGB § 249 Abs. 2; ZPO § 531 § 97 Abs. 2
Leitsatz
1. Verbringungskosten und UPE-Zuschläge sind auch bei fiktiver Abrechnung ersatzfähig, wenn sie nach den örtlichen Gegebenheiten in einer markengebundenen Fachwerkstatt angefallen wären.
2. Der Anspruch auf einen Nutzungsausfallschaden kann auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung bestehen, er setzt aber einen "fühlbaren" Nachteil voraus. Dieser muss tatsächlich vermögensrechtlich eingetreten sein und darf nicht fiktiv bleiben.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens können der obsiegenden Partei auferlegt werden, wenn diese Kosten bei einer gewissenhaften Prozessführung nicht angefallen wären.
OLG Celle, Urt. v. 10.11.2021 – 14 U 136/20
1 Aus den Gründen:
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
[2] I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich.
[3] 1. Der Kläger hat einen weiteren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.710,47 EUR und Haftungsfeststellung gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 823 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG aus dem Unfallereignis vom 3.6.2019 im tenorierten Umfang. Die Beklagte haftet dem Grunde nach zu 100 % für die aus dem Unfallereignis resultierenden Schäden.
[4] a) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgelegte Ermächtigung der S. Bank vom 2.10.2020, die es ihm erlaubt, in Prozessstandschaft die Forderung der S. Bank geltend zu machen (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 50, Rn 48 ff.), ist nicht verspätet gem. § 530 ZPO.
[5] Der Ausschluss neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug gilt, auch soweit sie im ersten Rechtszug aus Nachlässigkeit nicht geltend gemacht worden sind, nicht für unstreitige Tatsachen. Aus der die Zwecke des Zivilprozesses und der Präklusionsvorschriften berücksichtigenden Auslegung der § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO ergibt sich, dass unter "neue Angriffs- und Verteidigungsmittel" im Sinne des § 531 ZPO lediglich streitiges und beweisbedürftiges Vorbringen fällt. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen (BGHZ 161, 138, 141 ff.; 166, 29, Tz. 6; BGHZ 177, 212, Tz. 9 ff.; BGH, Beschl. v. 21.2.2006 – VIII ZR 61/04, WM 2006, 1115, Tz. 5; BGH, Urt. v. 20.5.2009 – VIII ZR 247/06 –, Rn 15, juris).
[6] So liegt der Fall hier. Der Vortrag des Klägers zu seiner Prozessstandschaft ist zwischen den Parteien unstreitig.
[7] b) Die Klagänderung des Klägers, seine Ansprüche im Rahmen der Prozessstandschaft geltend zu machen, ist auch zulässig.
[8] Gem. § 533 ZPO ist dies der Fall, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und die Klagänderung auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht gem. § 529 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.
[9] Eine Klageänderung ist dann sachdienlich, wenn die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem anderenfalls zu führenden Rechtsstreit vorbeugt. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist. Unerheblich ist, dass dem Beklagten durch die Zulassung eine Tatsacheninstanz genommen wird oder die Klageänderung bereits in erster Instanz hätte erfolgen können (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 533, Rn 6 m.w.N.).
[10] Gemessen daran ist die Klageänderung sachdienlich. Es kann das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden. Da die Klageänderung auf unstreitigen Tatsachen basiert, sind diese vom Senat auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
[11] 2. Der Kläger hat gem. § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 6.407,79 EUR Reparaturkosten und 400,00 EUR merkantilen Minderwert. Auf die Reparaturkosten hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.797,32 EUR gezahlt. Auf den merkantilen Minderwert hat die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 300,00 EUR gezahlt. Der Kläger hat insgesamt noch einen Anspruch auf Zahlung von 2.710,47 EUR. Im Einzelnen:
[12] a) Folierungskosten
[13] Die vom Kläger geltend gemachten Folierungskosten in Höhe von 4.451,75 EUR (netto) sind erforderlich (aa). Es liegt durch die Übernahme des Netto-Wertes aus der klägerischen Rechnung auch keine unzulässige Kombination fiktiver und konkreter Kosten vor (bb).
[14] aa) Die vom Kläger geltend gemachten Kosten sind erforderlich, gem. § 249 Abs. 2 BGB. Danach kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Denn er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die H...