VVG § 192; BGB § 305c § 307; AVB-AWG § 4; SGB V § 5 Abs. 2 Nr. 2 § 188 Abs. 4
Leitsatz
1. Verspricht eine Anwartschaftsversicherung für die Dauer einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht wegen Arbeitslosigkeit das Wiederaufleben der Vollversicherung bei Beendigung dieses Grundes, so ist dieser Zeitpunkt auch dann maßgeblich, wenn die gesetzliche Absicherung aus anderen Gründen fortbesteht.
2. Bedingungen einer Anwartschaftsversicherung, die das Wiederaufleben einer privaten Krankenversicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung von der Beachtung einer Antragsfrist nach Beendigung des Grundes der gesetzlichen Versicherungspflicht abhängig machen, sind wirksam.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG München II, Urt. v. 26.11.2021 – 10 O 1252/21
Sachverhalt
Die Kl. unterhielt bei der Bekl. bis zum 31.7.2018 eine private Krankheitskostenvollversicherung gemäß den Tarifen V und E und bis zum 31.7.2018 eine Krankentagegeldversicherung gemäß dem Tarif K.
In der Zeit vom 1.8.2018 bis 31.3.2019 bezog die Kl. Arbeitslosengeld. Die Kl. war daher während dieses Zeitraums in der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) gesetzlich krankenversicherungspflichtig. Die Kl. kündigte aus diesem Grund die private Krankheitskostenvollversicherung sowie die Krankentagegeldversicherung bei der Bekl. jeweils zum 31.7.2018. Sie schloss gleichzeitig für die Zeit ab dem 1.8.2018 eine große Anwartschaftsversicherung bei der Bekl. ab. Mit ihr vereinbarten die Parteien, dass die Krankheitskostenvollversicherung sowie die Tagegeldversicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung wiederaufleben soll, wenn der Anwartschaftsgrund wegfällt und dies der Bekl. fristgerecht angezeigt wird. Wörtlich heißt es in dem Antrag auf Abschluss der Anwartschaftsversicherung:
"die Anwartschaft gilt unbefristet und endet mit dem Wegfall des AW-Grundes, der der C fristgerecht anzuzeigen ist." Als Frist sind 3 Monate vereinbart.
Im Merkblatt zu Anwartschaftsversicherung befindet sich unter dem Punkt a) der Hinweis, dass die Beantragung des Auflebens der Versicherung innerhalb von drei Monaten zu erfolgen hat.
§ 4 Nr. 6 der Besonderen Bedingungen für die große Anwartschaftsversicherung bestimmt:
"Wird bei einer unbefristeten AW der Wegfall der Voraussetzung für die AW erst nach Ablauf von drei Monaten angezeigt, so kann das Aufleben des Versicherungsschutzes von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschluss abhängig gemacht werden. Der Versicherungsschutz kann dann frühestens am nächsten Monatsersten nach Zugang der Anzeige beim VR aufleben."
Die nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 SGB V bestandene gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Kl. endete am 31.3.2019.
Seit dem 1.4.2019 ist die Kl. gesetzlich krankenversichert gemäß § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V. Die Kl. beantragte im März 2020 bei der Bekl. die Fortführung der früheren Versicherungsverträge.
Die Bekl. teilte der Kl. mit, dass wegen Versäumung der dreimonatigen Frist das Aufleben der Versicherungsverträge nur nach einer erneuten Gesundheitsprüfung möglich sei. Sie informierte die Kl. zudem darüber, dass aufgrund des bereits bekannten Gesundheitszustandes das Aufleben des vormaligen Vertrages ohne Erhebung eines Risikozuschlags nicht möglich sei.
2 Aus den Gründen:
… Die Bekl. ist nicht verpflichtet, die zwischen den Parteien bis zum 31.7.2018 bestandene Krankheitskostenvollversicherung in den Tarifen V und E sowie die bis zum 31.7.2018 bestandene Krankentagegeldversicherung, … ohne Risikozuschlag fortzuführen, da die Pflicht der Kl. zur Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum 31.3.2019 entfallen ist und die Kl. nicht binnen drei Monaten den Wegfall dieser Voraussetzung für die große Anwartschaft gemäß § 4 Nr. 1 S. 1 AWG bei der Bekl. angezeigt hat. Gemäß § 4 Nr. 6 S. 1 AWG ist die Bekl. daher berechtigt, das Aufleben des ursprünglichen Versicherungsschutzes von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschüssen abhängig zu machen.
1. Unstreitig bezog die Kl. im Zeitraum vom 1.8.2018 bis 31.9.2019 Arbeitslosengeld und war in diesem Zeitraum kraft Gesetzes, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Ausweislich des Antrages der Kl. auf Abschluss der streitgegenständlichen großen Anwartschaftsversicherung vom 31.7.2018 war dies, d.h. die gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Kl. wegen Arbeitslosigkeit, der Grund für den Abschluss der Anwartschaftsversicherung. Dieser Grund (gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Kl. wegen Arbeitslosigkeit) ist unstreitig zum 1.4.2019 weggefallen. Seitdem ist die Kl., was ebenfalls unstreitig ist, zwar weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert. Dies ist jedoch nicht mehr dem Umstand der (vormaligen) Arbeitslosigkeit geschuldet, sondern die Folge der vom Gesetzgeber in § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V getroffenen Regelung. Denn nach dieser Regelung wird für Personen, deren Versicherungspflicht endet (vgl. § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V), der Austri...