GG Art. 103 Abs. 1 Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2 § 522 Abs. 1
Leitsatz
Versäumt der Berufungsführer es, seine Einwendungen gegen einen Hinweis des Gerichts nach § 522 ZPO vorzutragen, so kann er mit diesen Einwendungen auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr gehört werden.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 14/21
1 Aus den Gründen:
[1] I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.
[2] Die Klägerin kam am 1.10.2015 mit dem von ihr gefahrenen Pkw Audi A 8 vor einem Kreisverkehr zum Stehen. Der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Lkw fuhr auf das Heck des Audi A 8 auf.
[3] Auf die von der Klägerin geforderten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche von insgesamt 59.484,77 EUR bezahlte die Beklagte 22.710,95 EUR, den Rest zuzüglich Feststellung macht die Klägerin mit der Klage geltend. Die Beklagte verlangt von der Klägerin mit der Widerklage Rückzahlung der gezahlten 22.710,95 EUR. Sie behauptet, es handele sich um einen gestellten Verkehrsunfall, außerdem sei die Klägerin nicht Eigentümerin des Audi A 8 gewesen.
[4] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Rückzahlung von 22.410,95 EUR verurteilt. Das Oberlandesgericht hat nach einem Hinweisbeschluss die Berufung der Klägerin durch Beschluss als unzulässig verworfen, soweit sie sich dagegen richtet, dass über gezahlte 300 EUR hinaus kein weitergehendes Schmerzensgeld von mindestens 2.500 EUR zuerkannt worden ist (Klageantrag zu 2) und das Landgericht die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle materiellen und immateriellen Schäden abgelehnt hat (Klageantrag zu 3). Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.
[5] Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich die Klägerin gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, soweit mit diesem die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.
[6] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
[7] Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und genügt den gesetzlichen Frist- und Formerfordernissen. Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss weder den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfG, NJW 2003, 281, juris Rn 9 m.w.N.).
[8] 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es die Berufung als unzulässig verworfen hat, im Wesentlichen ausgeführt, die Berufungsbegründung setze sich mit der Begründung des Landgerichts zum Schmerzensgeldantrag (Klageantrag zu 2), wonach für die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin über einen längeren Zeitraum ein Nachweis der unfallbedingten Gesundheitsverletzung fehle, nicht auseinander. Entsprechendes gelte für den abgewiesenen Feststellungsantrag (Klageantrag zu 3). Hier fehle jegliche Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Landgerichts, dass der Klägervortrag keinerlei Anhaltspunkt dafür biete, dass nicht erkennbare oder bezifferbare Schäden entstehen könnten.
[9] 2. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Berufungsgericht habe bei seiner Wertung, die Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, übersehen, dass die Klägerin ihren Schmerzensgeldanspruch auch allein auf einen Geldentschädigungsanspruch wegen haltloser Verdächtigungen und ehrverletzenden Verhaltens der Beklagten und damit auf eine schwere Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützen könne, liegt keine Gehörsverletzung vor.
[10] Die Rechtsbeschwerde macht weder geltend noch zeigt sie auf, dass die Klägerin den Klageantrag zu 2 bisher auf eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gestützt hat. Bei der Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um ein Rechtsinstitut, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht (vgl. Senatsurt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn 40). Eine solche Geldentschädigung hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie hat mit dem Klageantrag zu 2 die Zahlung eines "angemessenen Schmerzensgeldes" beantragt und in der Berufungsbegründung das Regulierungsverhalten der Beklagten lediglich als Umstand angeführt, der bei der Bemessung des Schmerzensgeldes erhöhend zu berücksichtigen sei (GA 641, 4. Abs.). Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht seinem Hinweisbeschluss (HB 3, 1. Abs.) und dem Zurückweisungsbeschluss (ZB 8, 2. Abs.) zugrunde gelegt.
[11] 3. Hinsichtlich des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 3) geht das Berufungsgericht im Zurückweisungsbeschluss ...