Ich schlage heute Morgen die Zeitung auf und erblicke überrascht folgende Schlagzeile: "Künstliche Intelligenz soll Handynutzer am Steuer entlarven"; Monocam: Erstes Bundesland will Handyblitzer einführen (Badische Zeitung 25.4.2023).
Nun dachte ich, mich eigentlich mit den herkömmlichen Messgeräten auszukennen, also ging ich ins www. und bemühte mich um mehr Informationen und musste mit Überraschung feststellen, dass ich schon wieder der Technik hinterher hinke. Nicht nur, weil ich von diesem Gerät noch nie etwas gehört hatte, sondern weil einschlägige und bundesweit bekannte Internetportale bereits eine "einfache und unkomplizierte" Übernahme von Bußgeldmandaten gerade bei der Messung von diesem Messsystem anbieten.
Nachdem ich mich also durch die werbebasierte Ergebnisliste durchgearbeitet hatte, entdeckte ich endlich sachlich verwertbare Inhalte. Nach einer Testphase von sechs Monaten beabsichtigt Rheinland-Pfalz – als erstes Bundesland – die sog. Monocam einzuführen, ein Pilotprojekt, mit welchem – ähnlich wie bei Geschwindigkeits-, und Abstandsüberwachungen – ein automatisiertes System den Verkehrsfluss beobachtet (bspw. auf Autobahnen und Brücken). Mithilfe von künstlicher Intelligenz ist eine hiermit angeschlossene Software in der Lage, auf Grundlage von Auswertungen der Fahrgastzelle und Handhaltung festzustellen, ob ein Handyverstoß (oder doch besser ein "elektronisches Gerät" i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO) vorliegt. Nach positiver Auswertung wird ein Lichtbild gefertigt, welches dann zur Auswertung verwendet werden kann.
Bereits bei Beginn des Pilotprojekts stand dieses unter massiver Kritik. Nach Angaben des Innenministeriums "würden Aufnahmen nur dann gespeichert werden, wenn die KI-Software im Rahmen der automatischen elektronischen Livestream-Auswertung einen Anfangsverdacht für eine Owi feststelle, also absolut verdachtsabhängig." Gegenwind gab es insbesondere durch den Landesdatenschutzbeauftragten.
Dies hat dazu geführt, dass auf der Internetseite der Polizeibehörde Rheinland-Pfalz Datenschutzinformationen zum Download bereitgestellt werden. Ob diese zum Zeitpunkt des Vorfalles für den Betroffenen griffbereit sind, dürfte im Hinblick auf den § 23 Abs. 1a StVO wohl zweifelhaft sein, oder befindet man sich dann in diesem Moment schon im Bereich eines rechtfertigenden Notstandes nach § 16 OWiG?
Die Realität ist, dass sich mit Einbezug von künstlicher Intelligenz in automatisierten Verarbeitungsprozessen eine Vielzahl an rechtlichen Fragestellungen ergibt, der es sich sehr zügig zu stellen gilt. Auch wenn das manchmal relativ schwer zu durchblickende Dickicht der Datenschutzgesetze Juristen (und Nicht-Juristen umso mehr) vor großen Aufgaben stellt, so wird es durch den Einbezug von künstlicher Intelligenz – die im Übrigen zumindest noch keine regulatorischen Grenzen erfahren hat – nicht wirklich einfacher. Die Fachgerichte sind dringend aufgerufen, sich bereits in den Tatinstanzen kritisch zumindest den sich darbietenden Rechtsproblemen zu stellen und aus systemischen Gründen sich nicht auf inhaltsleere (und teilweise auch revisionsrechtlich nicht überprüfbare) Floskeln zurückzuziehen. Denn bis das Bundesverfassungsgericht sich dieser Problematik stellen wird (Landesverfassungsgerichte haben in anderen Bundesländern leider wohl nur wenig Überzeugungskraft), laufen auf einigen Autobahnbrücken die Knipser heiß.
Autor: Claudio La Malfa
RA Claudio La Malfa, FA für Versicherungsrecht, FA für Arbeitsrecht, FA für Verkehrsrecht, Emmedingen
zfs 5/2023, S. 241