Leitsatz
Eine Anwendung des § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Buchst. a StVO auf Bundesstraßen mit zwei Fahrstreifen in jede Richtung, die baulich zueinander abgegrenzt sind, kommt nicht in Betracht. (Leitsatz der Redaktion)
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.12.2022 – 1 OWi 2 SsRs 109/22
1 Sachverhalt
Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit mit einem Kraftfahrtzeug mit einer Gesamtmasse über 7,5 t außerhalb einer Ortschaft auf einer Straße, bei der es sich nicht um eine Kraftfahrtstraße handelt, zu einer Geldbuße in Höhe von 140 EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Diese sei zur Fortbildung des Rechts erforderlich, weil in der vorliegenden Fallkonstellation die zulässige Höchstgeschwindigkeit des § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Buchst. a StVO wegen der konkreten baulichen Gestaltung der befahrenen Bundesstraße Anwendung finden müsse. Das OLG Zweibrücken hat den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zuzulassen, als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
[…] II. Der zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Es ist nicht geboten, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 79 Abs. 1 S. 2, § 80 Abs. 1, 4 S. 1 OWiG). Die von der Verteidigung aufgeworfene Fragestellung ist bereits obergerichtlich entschieden. Eine Anwendung des § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Buchst. a StVO auf Bundesstraßen mit zwei Fahrstreifen in jede Richtung, die baulich zueinander abgegrenzt sind, kommt nicht in Betracht (s. hierzu bereits ausführlich BayObLG, Beschl. v. 7.6.1999 – 2 ObOWi 247/99). Hiervon abzuweichen besteht kein Anlass. Insoweit gilt:
1. Gegen eine Auslegung der Regelung dahin, dass sie auch auf autobahnähnliche Bundesstraßen Anwendung findet, spricht bereits der eindeutige Wortlaut der Vorschrift. Nach diesem findet die Regelung ausschließlich auf Autobahnen und Kraftfahrtstraßen Anwendung. Auch die Entstehung der Ausnahmevorschrift und der Wille des Verordnungsgebers sprechen zweifelsfrei gegen eine Anwendung der Regelung auf Bundesstraßen. Die bereits für Autobahnen existierende Vorschrift ist durch die Neunte Verordnung zur Änderung der StVO vom 22.3.1988 (BGBl I S. 405) ausdrücklich nur auf Kraftfahrzeuge erstreckt worden. Auch die amtliche Begründung stellt ausschließlich auf Kraftfahrtstraßen ab (s. BT-Drucks 577/1/87 S. 10 f.; BayObLG, Beschl. v. 7.6.1999 – 2 ObOWi 247/99, juris Rn 8).
2. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift ist kein Raum.
a) Es fehlt – wie bereits die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte und zum Willen des Gesetzgebers belegen – an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Straßenverkehrsordnung enthält ein ausdifferenziertes Regelungssystem, welche Höchstgeschwindigkeiten auf welchen Straßen zulässig sind. Grundsätzlich gilt gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb StVO für Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t außerhalb geschlossener Ortschaften eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regelung enthält § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 Buchst. a StVO, der explizit für Autobahnen und Kraftfahrtstraßen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h erhöht. Dieses ausgewogene System der Straßenverkehrsordnung lässt nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber Bundesstraßen, die wie Autobahnen ausgebaut sind, übersehen haben könnte (vgl. BT-Drucks 577/1/87 S. 10 f.; BayObLG, Beschl. v. 7.6.1999 – 2 ObOWi 247/99, juris Rn 8).
b) Darüber hinaus besteht keine vergleichbare Interessenlage. Nicht nur der bauliche Zustand ist dafür entscheidend, dass auf Kraftfahrtstraßen und Autobahnen eine höhere zulässige Geschwindigkeit gilt. Dies erklärt sich zwanglos auch durch den Umstand, dass diese beiden Straßenarten gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 StVO nur von Kraftfahrzeugen benutzt werden dürfen, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt und die gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 StVO nur einer bestimmten Maximalabmessung entsprechen dürfen. Diese Beschränkungen gibt es auf Bundesstraßen – egal wie diese baulich gestaltet sind – nicht, sodass eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Straßenarten unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit gerechtfertigt ist.
3. Weder die von der Verteidigung zitierte Kommentarstelle noch die Entscheidung des OLG Düsseldorf (IV-2 Ss (OWi) 176/03 – (OWi) 60/03 II, NStZ-RR 2007, 214) widersprechen dieser mit dem BayObLG übereinstimmenden Rechtsauffassung. Denn beide beziehen sich ausschließlich auf Kraftfahrtstraßen, nicht aber auf Bundesstraßen.
zfs 5/2023, S. 293