[35] II. Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen gebieten eine andere Entscheidung. Auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen ist die Klage insgesamt abzuweisen.
[36] 1. Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von 9.287,94 EUR gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 426 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB bejaht in der Annahme, die Beklagten hafteten im Verhältnis zu dem Versicherungsnehmer des Klägers mit einem Anteil von 30 % für die Unfallfolgen. Hierbei hat es zugrunde gelegt, dass die Beklagten gegenüber ihrem bei dem Verkehrsunfall verletzten Sohn gem. § 1664 BGB mit dem Sorgfaltsmaßstab des § 277 BGB wegen Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht zum Schadensersatz verpflichtet seien. Es könne dahinstehen, ob ihnen grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden müsse, da sie auch bei Zugrundelegung ihrer eigenüblichen Sorgfalt hafteten. Die Beklagten hätten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, dass sie das Kind I.A. im Allgemeinen sorgloser beaufsichtigt hätten als objektiv erforderlich. Sie hätten angegeben, sie ließen ihre Kinder draußen nie unbeaufsichtigt; dies hätten auch die vernommenen Zeugen bestätigt. Die Beklagten hätten ihre Aufsichtspflicht aber deshalb in einem über die eigenübliche Sorgfalt hinausgehenden Maße verletzt, weil nach ihren eigenen Angaben das Kind zu Hause jedenfalls länger als nur 4-5 Minuten unbeaufsichtigt gewesen sei, so dass es unbemerkt seinem älteren Bruder und dem Zeugen H. nach draußen habe folgen können. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2, der in der Küche telefoniert habe, noch gehört habe, dass der ältere Sohn das Haus verlassen habe, sich aber nicht vergewissert habe, ob der jüngere Sohn noch da sei.
[37] 2. Entgegen der rechtlichen Würdigung des Landgerichts ist eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen nicht anzunehmen. Damit scheiden Regressansprüche des Klägers gegen die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerausgleichs mangels eines Schadensersatzanspruchs des Kindes gegen seine Eltern bereits dem Grunde nach aus:
[38] a. Das Landgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass § 1664 BGB nicht nur, wie der Wortlaut zunächst nahelegt, einen Haftungsmaßstab für die Ausübung der elterlichen Sorge – Begrenzung auf die eigenübliche Sorgfalt – festlegt, also eine Haftungsreduzierung bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit (§ 277 BGB) begründet, sondern auch Grundlage für einen selbstständigen Schadensersatzanspruch des Kindes gegen seine Eltern sein kann (BGH, Urt. v. 10.2.1988 – IVb ZR 111/86, BeckRS 2014, 22839; Götz/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1664 Rn 1; MüKoBGB/Huber, 8. Aufl. 2020, BGB § 1664 Rn 1 m.w.N.). Die Pflicht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB), umfasst die Sorge für die Person des Kindes (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) und insbesondere die Pflicht, es zu beaufsichtigen (§ 1631 Abs. 1 BGB).
[39] b. Die damit eingreifende Begrenzung der Haftung der Eltern auf eigenübliche Sorgfalt wird durch § 277 BGB näher konkretisiert. Nach § 1664 Abs. 1 BGB haften die Eltern auf Schadensersatz nur bei Verschulden und nur dann, wenn sie diejenige Sorgfalt verletzt haben, die sie auch in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (sog. "diligentia quam in suis rebus"). Es gilt also (im Bereich leichter/einfacher Fahrlässigkeit) ein subjektiver, konkreter Maßstab (sog. "culpa in concreto"). Jeder Elternteil haftet dabei nach heute herrschender Auffassung nur für sein eigenes Verschulden, grundsätzlich nicht auch für das des anderen Elternteils (arg. e § 1664 Abs. 2 Hs. 1 BGB – "Grundsatz der individuellen Elternverantwortung") und zwar nach seinem eigenen (subjektiven) Sorgfaltsmaßstab. Objektive (Ober-)Grenze individueller Sorglosigkeit ist dabei gem. § 277 BGB stets die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (BeckOGK/Eitzinger, 1.10.2022, BGB § 1664 Rn 15 m.w.N.). Wenn sich Eltern auf den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten berufen, trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegen (BGH, Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 210/18, juris Rn 14).
[40] c. Eine Verletzung der ihnen gegenüber dem Kind I.A. obliegenden elterlichen Aufsichtspflicht ist den Beklagten jedoch entgegen der Annahme des Landgerichts nicht anzulasten. Hierbei kann, wie noch auszuführen ist, für die vorliegende Fallkonstellation dahinstehen, ob die Haftungserleichterung des § 1664 BGB grundsätzlich auch dann gilt, wenn es nicht nur um die Verletzung rein familienrechtlich begründeter Sorgfa...