Der Entscheidung des OLG Celle ist im Ergebnis zuzustimmen. Leider hat das OLG Celle auch in dieser Entscheidung nicht dazu bekannt, ob es der Auffassung des BGH (RVGreport 2007, 110 (Hansens) = NJW-RR 2007, 422) folgt, nach der der Einwand der Nichtigkeit des zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Anwaltsvertrages im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen ist.
Vorzunehmende Prüfungen im Kostenfestsetzungsverfahren
Prozessuale Gesichtspunkte
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Rechtspfleger zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung nach §§ 103 f. ZPO erfüllt sind. Dies erfordert zunächst seinen ordnungsgemäßen Antrag und das Vorliegen einer Kostengrundentscheidung, die die begehrte Kostenfestsetzung rechtfertigt. Ferner hat der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob die zur Erstattung angemeldeten Anwaltskosten entstanden sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er über sämtliche damit verbundenen materiell-rechtlichen Fragen zu entscheiden hat. Vielmehr hat die Prüfung des Rechtspflegers unter rein prozessualen, erstattungsrechtlichen und gebührenrechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Die Prüfung des Rechtspflegers beschränkt sich folglich im Wesentlichen darauf, ob die zur Erstattung angemeldeten Kosten nach dem konkreten Verfahrensablauf und den einschlägigen Vorschriften des RVG entstanden sind. Insoweit obliegt dem Rechtspfleger eine prozessuale Prüfungsbefugnis, die die notwendige Folge daraus ist, dass mit dem beantragten Kostenfestsetzungsbeschluss die betragsmäßige Umsetzung der Kostengrundentscheidung erreicht werden soll.
Keine materiell-rechtlichen Gesichtspunkte
Diese prozessuale Prüfungsbefugnis ist von der materiell-rechtlichen Beurteilung zu unterscheiden, bei der es u.a. um die auch im Fall des OLG Celle im Mittelpunkt stehende Frage geht, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten die geltend gemachten Gebühren und Auslagen im Innenverhältnis nach den dort bestehenden vertraglichen Beziehungen tatsächlich schuldet. Diese materiell-rechtliche Beurteilung gehört nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (so BGH RVGreport 2007, 110 (Hansens) = NJW-RR 2007, 422). Der BGH (a.a.O.) hat ferner darauf hingewiesen, dass die Prüfung der Frage, ob der Anwaltsvertrag nichtig sei, keine einfache Rechtsfrage sei, hinsichtlich deren Beurteilung keine Zweifel bestünden und die zur Klärung im Kostenfestsetzungsverfahren geeignet wäre. Im Fall des BGH, a.a.O., lag sogar eine schriftliche Äußerung der zuständigen Rechtsanwaltskammer vor, die die Auffassung vertreten hat, die Voraussetzungen eines Tätigkeitsverbots nach § 45 BRAO seien erfüllt. Gleichwohl hat der BGH die Einwendungen des erstattungspflichtigen Beteiligten unberücksichtigt gelassen, weil auch mit Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer keine im Verhältnis der erstattungsberechtigten Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten bindende Feststellung über die Unwirksamkeit des Anwaltsvertrages getroffen worden sei.
In seinem Beschl. v. 19.1.2017 (AGS 2018, 39 = RVGreport 2017, 150 (Hansens)) hatte das OLG Celle die behauptete Nichtigkeit des zwischen der dortigen Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten bestehenden Anwaltsdienstvertrages geprüft und die geltend gemachte Interessenkollision eindeutig festgestellt. Die dem entgegenstehende Rechtsprechung des BGH hatte das OLG Celle seinerzeit weder berücksichtigt noch gar zitiert. Dies hat das OLG Celle in seiner aktuellen Entscheidung zwar getan, hat sich aber nicht an die Rechtsprechung des BGH gehalten.
Bedeutung für die Praxis
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsdienstvertrages zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist. Einen der vom OLG Celle erwähnten Ausnahmefälle habe ich in meiner jahrzehntelangen Praxis nicht erlebt. Wohl kein Rechtsanwalt wird einräumen, dass der mit seinem Mandanten geschlossene Anwaltsdienstvertrag nichtig mit der Folge ist, dass ihm kein gesetzlicher Vergütungsanspruch gegen den Mandanten zusteht. Und der Fall, dass sich aus den Gerichtsakten die Nichtigkeit des Anwaltsdienstvertrages so eindeutig feststellen ließ, dass die Annahme gerechtfertigt ist, der erstattungsberechtigten Partei sei die begehrte Festsetzung der Anwaltskosten gegen den Gegner ohne Weiteres zu versagen, ist mir in der Praxis auch noch vorgekommen.
Hieraus folgt für den Rechtsanwalt der erstattungspflichtigen Partei, dass er bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte hierfür zwar im Kostenfestsetzungsverfahren vorbringen kann, der zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossene Anwaltsdienstvertrag sei nichtig. Große Hoffnung, dass sein Vorbringen Erfolg haben wird, sollte er sich jedoch nicht machen.
VorsRiLG a. D. Heinz Hansens, Berlin
zfs 5/2024, S. 283 - 285