ZPO §§ 103 ff.; BGB § 134; BRAO § 43 a
Leitsatz
Zur Klarstellung in Bezug auf die Entscheidung des Senats vom 19.1.2017 – 2 W 12/17 – AGS 2018, 39 = RVGreport 2017, 150 (Hansens) – macht der Senat deutlich, dass er materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren – auch bei der Frage der Nichtigkeit eines Anwaltsvertrages – nur für berücksichtigungsfähig erachtet, wenn sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können.
OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2023 – 2 W 107/23
1 Sachverhalt
Der Beklagte, der sich als Rechtsanwalt selbst vertreten hat, war in dem vor dem LG Hildesheim in erster Instanz begonnenen und in der Berufungsinstanz vor dem OLG Celle fortgeführten Rechtsstreit in beiden Instanzen unterlegen. Aufgrund der zugunsten der Klägerin ergangenen Kostenentscheidungen hat die Rechtspflegerin des LG Hildesheim die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten beider Instanzen auf insgesamt 7.839,34 EUR festgesetzt. Dabei hat sie bei ihrer Entscheidung den Einwand des Beklagten nicht berücksichtigt, der Anwaltsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten sei nichtig. Der Beklagte, hatte dies damit begründet, es existiere kein Honoraranspruch Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber ihrer Mandantin, weil der Anwaltsvertrag wegen Vorliegens einer Interessenkollision gem. § 134 BGB i.V.m. § 43a BRAO nichtig sei. Dies hat der Beklagte darauf gestützt, die Klägervertreter hätten in derselben Rechtssache gleichzeitig oder nacheinander Personen, nämlich die Klägerin und die Zeugin, vertreten, deren Interessen gegenläufig gewesen seien. Hierzu hat der Beklagte in einem 21 Seiten umfassenden Schriftsatz Ausführungen gemacht, für deren Richtigkeit er auf diverse Anlagen und auf eine Zeugenvernehmung verwiesen hat. Dabei hat der Beklagte die behauptete Interessenkollision unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten erläutert und sein Vorbringen auch auf strafrechtliche Erwägungen gestützt. In drei weiteren Schriftsätzen hat er seine Rechtsauffassung weiter vertieft. Demgegenüber haben die Klägervertreter das Vorliegen eines Interessenkonfliktes verneint. Sie haben insbesondere das Bestehen eines Mandatsverhältnisses zu der Zeugin bestritten.
Die Rechtspflegerin des LG Hildesheim hat die Einwendungen des Beklagten unberücksichtigt gelassen und die Kosten beider Instanzen festgesetzt.
Hiergegen hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. In ihrem Nichtabhilfebeschluss hat die Rechtspflegerin die von dem Beklagten als Beweismittel aufgeführten Anlagen mit dem Vorbringen der Klägerin abgeglichen und das Klägervorbringen als in sich stimmig und widerspruchsfrei angesehen.
2 Aus den Gründen:
… "Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet und war zurückzuweisen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten beider Instanzen auf 7.839,34 EUR festgesetzt hat. Insbesondere hat sie es zu Recht abgelehnt, die vom Beklagten behauptete und von der Klägerin bestrittene Nichtigkeit deren Anwaltsvertrages mit ihren Prozessbevollmächtigten im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen."
Da das Kostenfestsetzungsverfahren nur den Zweck hat, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Kostengrundentscheidung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; hierfür steht der Weg über § 775 Nr. 4, 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) offen [BGH NJW-RR 2007, 422; BGH AGS 2014, 318 = RVGreport 2014, 296 (Hansens); Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 104 Rn 21.56; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 20. Aufl., § 104 Rn 8; Anders/Gehle/Bünnigmann, ZPO, 81. Aufl., § 104 Rn 11 und 12]. Eine Ausnahme ist nur für Einwände zu machen, deren tatsächliche Voraussetzungen unstreitig sind oder vom Rechtspfleger bzw. von der Rechtspflegerin ohne Schwierigkeiten aus den Akten zu ermitteln sind [BGH, NJW-RR 2007, 422, 423; BGH AGS 2014, 318 = RVGreport 2014, 296 (Hansens); BGH RVGreport 2010, 152 (Hansens) = JurBüro 2010, 252]. Dies hat seine Gründe in der Verfahrensökonomie [dies., a.a.O.; Anders/Gehle/Bünnigmann, § 104 ZPO Rn 13 m.w.N.; Musielak/Voit-Flockenhaus, § 104 ZPO Rn 9 m.w.N.; Zöller/Herget, § 104 ZPO Rn 21.56 m.w.N.]. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, der sich in dem Rechtsstreit selbst vertritt, wendet gegen die von der Klägerin am 4.2.2021 (erste Instanz) und 25.3.2022 (zweite Instanz) beantragte Kostenfestsetzung maßgeblich ein, es existiere kein Honoraranspruch der Klägervertreter gegenüber der Klägerin, weil der Anwaltsvertrag wegen Vorliegens einer Interessenkollision gemäß § 134 BGB i.V.m. § 43a BRAO nichtig sei; die Klägervertreter hätten in derselben Rechtssache gleichzeitig oder nacheinander Personen (Kläg...