StGB § 263
Leitsatz
1. Die Geltendmachung eines durch eine dritte Person verursachten Schadens am Pkw des Versicherungsnehmers gegenüber der eigenen Versicherung kann im Hinblick auf den Versicherungsnehmer nur dann zur Leistungsfreiheit der Versicherung nach § 81 VVG oder § 103 VVG führen, wenn der Versicherungsnehmer bei der Geltendmachung vorsätzlich oder grob fahrlässig handelte oder er sich das vorsätzliche Handeln der dritten Person als Repräsentant oder kraft Vertretung in einer Wissenserklärung zurechnen lassen muss.
2. Der festgestellte Vorsatz des handelnden Dritten lässt die Haftung des Versicherungsnehmers als Halter aus § 7 Abs. 1 StVG unberührt. Eine vollständige Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers bei vorsätzlichem Handeln des mitversicherten Fahrers tritt nur gegenüber dem vorsätzlich handelnden Versicherten, nicht aber auch im Verhältnis zu dem Versicherungsnehmer – betreffend dessen Halterhaftung (§ 7 Abs. 1 StVG) – ein. (Leitsatz der Redaktion)
BGH, Beschl. v. 13.2.2024 – 4 StR 293/23
1 Sachverhalt
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Der BGH hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil des LG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[1] Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.
[2] 1. Die Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) wird von den Feststellungen nicht getragen.
[3] a) Nach diesen steuerte der Angeklagte am 31.12.2016 einen Lkw, dessen Halterin und Leasingnehmerin seine Mutter war, absichtlich gegen einen geparkten Pkw einer vormaligen Mitangeklagten, an dem ein leichter Streifschaden entstand. In einer von herbeigerufenen Polizeibeamten erstellten Unfallmitteilung findet sich die Angabe des Angeklagten, er sei "beim Abbiegen an das Fahrzeug gekommen". Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Schaden an dem geparkten Pkw durch einen weiteren Anstoß vertieft, um einen höheren "Versicherungsschaden" geltend machen zu können. Die Strafkammer vermochte nicht sicher festzustellen, ob auch dieser Schaden von dem Angeklagten bewirkt wurde und wie dies im Einzelnen geschah. Der Angeklagte wusste allerdings von dieser weiteren Beschädigung und billigte sie.
[4] Danach füllte der Angeklagte einen von seiner Mutter als Versicherungsnehmerin mitunterzeichneten Fragebogen zu dem Schadensereignis "vom 31.12.2016" aus, in dem er wahrheitswidrig angab, beim Abbiegen bemerkt zu haben, dass "es sehr eng wird zu dem parkenden Kfz."; er habe dann zurückfahren wollen, aber statt des Rückwärtsgangs den Vorwärtsgang eingelegt. Auf Verlangen eines Rechtsanwalts der früheren Mitangeklagten zahlte der Versicherer des Lkw 3.927,87 EUR. Eine weitere Zahlung, die der Rechtsanwalt unter Vorlage einer unechten Reparaturrechnung forderte, wurde verweigert. Der Angeklagte selbst veranlasste die Übersendung der polizeilichen Unfallmitteilung an den Versicherer, um den Schaden an dem Lkw regulieren zu lassen. Nachdem eine Zahlung nicht erfolgt war, schrieb die Mutter des Angeklagten an den Versicherer und bat unter Vorlage einer Freigabeerklärung der Leasinggeberin um Erstattung des laut einem Gutachten an dem Lkw entstandenen Schadens. Der Versicherer zahlte den geforderten Betrag abzüglich eines Selbstbehalts.
[5] Der Angeklagte wollte sich und die Halterin des beschädigten Pkw rechtswidrig bereichern, da er wusste, dass kein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Reparaturkosten hinsichtlich beider beteiligter Fahrzeuge bestand.
[6] b) Diesen Feststellungen können die Voraussetzungen eines – vollendeten – Betruges weder hinsichtlich des geltend gemachten Haftpflichtschadens noch des Kaskoschadens entnommen werden. Sie ergeben nicht, dass der Versicherer eine Auszahlung der jeweiligen Versicherungssumme irrtumsbedingt vornahm und ihm hierdurch ein Vermögensschaden entstanden ist, weil Ansprüche in Höhe der gezahlten Versicherungssummen gegen ihn tatsächlich nicht bestanden.
[7] Im Einzelnen gilt insoweit das Folgende:
[8] aa) Die in der rechtlichen Würdigung des Urteils gegebene Begründung, dass "aufgrund des vorsätzlich herbeigeführten Schadens gem. §§ 81, 103 VVG keine Ersatzpflicht der Versicherung" bestanden habe, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Nach der Vorschrift des § 81 VVG ist der Schadensversicherer (hier der Kfz-Kaskoversicherer) nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt; nach § 103 VVG gilt Gleiches für den Haftpflichtversicherer. Die Feststellungen ergeben jedoch schon nicht, dass die Versicherungsnehmerin, die Mutter des Angeklagten, die geltend gemachten Schäden an dem von ihr geleasten Lkw und an dem geparkten Pkw vorsätzlich herbeigeführt hat, also für sie auch nur mit- oder mittelbar ursächlich geworden ist (vgl. zum Kausalitätser...