RVG § 23 Abs. 2 § 25 Abs. 1 Nr. 1 § 33 Abs. 1; ZPO § 829a
Leitsatz
Der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung richtet sich auch in Rechtsbeschwerdeverfahren gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen. (Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 31.7.2023 – VII ZB 23/22
1 Sachverhalt
Die Gläubigerin hatte gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 34,60 EUR nebst Zinsen und Kosten betrieben. Mit vereinfachtem Vollstreckungsantrag nach § 829a ZPO hat die Gläubigerin beim Amtsgericht Herne – Vollstreckungsgericht – den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt, mit dem Arbeitseinkommen und Kontoguthaben der Schuldnerin gepfändet werden sollte. Dem Antrag hatte die Gläubigerin keine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids beigefügt, weil sie der Auffassung war, die Vorlage des Vollstreckungstitels sei gem. § 829a Abs. 1 ZPO entbehrlich.
Das Vollstreckungsgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss antragsgemäß erlassen. Auf die Erinnerung der Schuldnerin hat das AG Herne den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wieder aufgehoben. Die hiergegen von der Gläubigerin gerichtete sofortige Beschwerde hatte beim LG Bochum Erfolg. Gegenstand der Entscheidung war auch die Frage, ob zwischen der im Vollstreckungsbescheid bezeichneten Antragstellerin und der F. OHG als Gläubigerin Parteiidentität bestand.
Die gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts eingelegte Rechtsbeschwerde war beim BGH erfolgreich. In seinem Beschl. v. 10.5.2023 – VII ZB 23/22 – NJW-RR 2023, 975 hat der BGH entschieden, dass die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten und vom AG Herne erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht vorgelegen hätten. Dies hat der BGH der BGH damit begründet, dass die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gem. § 829a ZPO für eine Gläubigerin, deren Parteibezeichnung sich nach Erlass des Vollstreckungsbescheids geändert hat, nicht eröffnet sei. Vielmehr müssten die die Parteiidentität belegenden Urkunden dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden. In einem solchen Fall sei die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens nach § 829a ZPO ausgeschlossen.
Nach Beendigung des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin die Festsetzung des Gegenstandswertes der Rechtsbeschwerde beantragt.
2 Aus den Gründen:
[1] I. … "Dem Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin auf Festsetzung des Gegenstandswerts der Rechtsbeschwerde nach § 33 Abs. 1 RVG war zu entsprechen, da sich die Rechtsanwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen."
[2] Über den Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist nach Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG auch beim BGH nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG durch den Einzelrichter zu entscheiden (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschl. v. 9.8.2021 – GSZ 1/20, juris Rn 8, zfs 2021, 642 m. Anm. Hansens = AGS 2021, 471 (Hansens)).
[3] Der Gegenstandswert in der Vollstreckung richtet sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen und war hiernach auf 507,25 EUR festzusetzen …“
3 Anmerkung:
In einer so kurzen Entscheidung des BGH – die Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes umfasst nur einen Satz im Umfang von nicht einmal 3 Zeilen – sollte eigentlich kein Fehler auftreten. So kann man sich täuschen!
Anwendbare Wertvorschrift
Leider hat hier der Einzelrichter des VII. ZS des BGH für seine Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren die falsche Wertvorschrift herangezogen. Für die Festsetzung des Gegenstandswertes in Beschwerdeverfahren, zu denen auch das Rechtsbeschwerdeverfahren gehört, ist nämlich auch in Zwangsvollstreckungssachen die allgemeine Wertvorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG heranzuziehen, wenn – wie hier – die anfallenden Gerichtsgebühren sich nicht nach dem Streitwert richten. In einem solchen Fall ist vielmehr der Gegenstandswert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen, soweit sich aus dem RVG nichts anderes ergibt, was hier nicht der Fall ist (s. hierzu Volpert in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts 2004, Teil 18 Rn 90; N. Schneider in Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 8 Rn 586; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, § 25 RVG Rn 52; AnwKomm-RVG/Volpert, 9. Aufl. 2021, § 25 RVG Rn 93 ff.).
Bestimmung des Gegenstandswertes nach billigem Ermessen
Somit bestimmt sich der Gegenstandswert in Beschwerdeverfahren auch in Zwangsvollstreckungssachen nach billigem Ermessen. Damit ist für Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen der Gegenstandswert nicht – wie es hier der Einzelrichter des VII. ZS des BGH getan hat ...