StVG § 25; BKatV § 4 Abs. 1
Leitsatz
Wenn der Betroffene etwa sechs Wochen vor dem abzuurteilenden Vorfall an der gleichen Messstelle bereits wegen einer gleichgelagerten Abstandsunterschreitung mit einem Fahrverbot geahndet worden ist, das zwischen Tatbegehung und der Aburteilung verbüßt wurde, stellt dies keinen Härtefall dar, der das Fahrverbot als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme obsolet machen würde. (Leitsatz der Redaktion)
AG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.11.2023 – 971 OWi 916 Js 59363/23
1 Sachverhalt
Der Betroffene befuhr am 28.3.2023 in Frankfurt öffentliche Straßen und wurde mit dem Messgerät Verkehrs-Kontrollsystem 4.5 gemessen. Bei einer unter Abzug von Toleranz vorwerfbaren Geschwindigkeit von 129 km/h ein betrug der Abstand nach Toleranzabzug 18,5 m.
Der Betroffene ist Jurist, selbstständig tätig und lebt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er hat Voreintragungen aus zwei Abstandsverstößen (je 75 EUR) sowie einem weiteren Abstandsverstoß (Tatzeit 9.2.2023, 260 EUR, Fahrverbot 1 Monat, Rechtskraft 15.8.2023, Fahrverbot mit Ablaufdatum zum 5.11.2023 verbüßt). Der Betroffene räumte seine Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt ein. An der Richtigkeit der Messung bestehen keine Zweifel. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Messung begründen könnten. Das Messgerät war für die Abstandsüberwachung gültig geeicht, zurzeit der Messung intakt und die Messung wurde fehlerfrei durchgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich nur um eine kurzfristige (unverschuldete) Abstandsunterschreitung gehandelt haben könnte, haben sich auch nach der Inaugenscheinnahme des Messvideos nicht ergeben. Letzteres zeigt über die gesamte Laufzeit von 11 s eine in Geschwindigkeit durchgehend gleichbleibende Fahrzeugbewegung des vorausfahrenden und des Tatfahrzeugs, wobei es über die gesamte Dauer zu keinen augenscheinlich wahrnehmbaren Abstandsveränderungen kommt.
Das AG hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes, wobei der Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes betrug, eine Geldbuße von 300 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat Dauer mit Schonfrist angeordnet.
2 Aus den Gründen:
[…] IV. Der Betroffene hat sich demnach der im Urteilstenor bezeichneten Verkehrsordnungswidrigkeiten schuldig gemacht. Das Gericht geht hierbei davon aus, dass der Betroffene fahrlässig handelte.
V. Die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 300,00 EUR ist hinsichtlich der hier zu beurteilenden Verkehrsordnungswidrigkeit tat- und schuldangemessen. Angesichts der vorhandenen (durchweg einschlägigen) Voreintragung war die Regelbuße von 160,00 EUR angemessen zu erhöhen, um auf den Betroffenen wegen dessen wiederholt zutage getretener grob mangelhafter Verkehrsdisziplin nachhaltig einzuwirken.
Daneben ist gegen den Betroffenen nach § 25 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BKatV ein Fahrverbot von einem Monat in der Regel zu verhängen, das auch tat- und schuldangemessen ist.
Das Gericht ist sich insoweit auch bewusst, dass es unter Erhöhung der Geldbuße von einer Anordnung eines Fahrverbotes hätte absehen können, hält dies jedoch nicht für geboten. Von der Verhängung eines Fahrverbotes kann, wenn wie hier ein Regelfall vorliegt, nur abgesehen werden, wenn entweder Tatumstände äußerer oder innerer Art oder eine erhebliche Härte die Ausnahme von der Anordnung eines Fahrverbotes rechtfertigen. Für die Annahme eines besonderen Ausnahme- respektive Härtefall der Fahrverbotsverbüßung, also erhebliche Abweichungen vom Normalfall, gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.
Ein entsprechender Umstand ist auch nicht etwa darin zu sehen, dass der Betroffene etwa sechs Wochen vor dem hiesigen Vorfall an der gleichen Messstelle bereits wegen einer gleichgelagerten Abstandsunterschreitung mit einem Fahrverbot geahndet worden ist, das zwischen hiesiger Tatbegehung und der Aburteilung verbüßt wurde. Das Fahrverbot soll hinsichtlich der zu beurteilenden Verkehrsverstöße seiner Funktion nach als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme individuell spezialpräventiv wirken. Diese Wirkung würde verfehlt, wenn hier vom Fahrverbot abgesehen würde. Zwar ist im Ansatz zutreffend, dass im Falle einer gemeinsamen Aburteilung von zwei fahrverbotsbewerteten Verstößen durch das Gericht nur ein einziges Fahrverbot zu verhängen wäre (vgl. grundlegend BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – 4 StR 227/15 – NJW 2016, 1188). Der Betroffene ist hierdurch indessen nicht schlechter gestellt, da im Falle einer einheitlichen Aburteilung angesichts der besonders beharrlichen Delinquenz des Betroffenen ein über das Regelfahrverbot hinausgehendes zweimonatiges Fahrverbot allein tat- und schuldangemessen wäre. Eine nachträgliche "Gesamtstrafenbildung" ist insoweit nicht vorgesehen.
Da gegen den Betroffenen in den letzten zwei Jahren vor Begehung der hier zu beurteilenden Verkehrsordnungswidrigkeit kein Fahrverbot verhängt worden ist und auch nicht bekannt ist, dass danach ein solches angeordnet wurde, war abweichend von § 25 Abs. 2 S. 1 StVG zu bestimm...