GG Art. 34 S. 1; BGB § 839; StVO § 45 Abs. 2, Abs. 5, Abs. 6
Leitsatz
Die Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, die zur Ausführung einer von der Straßenbaubehörde angeordneten Verkehrsregelung (§ 45 Abs. 2 StVO), in deren Mittelpunkt ein Durchfahrtverbot steht, Verkehrsschilder (hier: Umleitungsankündigung) aufstellen, handeln als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Ihre persönliche Haftung gegenüber einem durch das Verkehrsschild Geschädigten scheidet daher gemäß Art. 34 Satz 1 GG aus (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urt. v. 6.6.2019 – III ZR 124/18, VersR 2019, 1145).
BGH, Urt. v. 11.1.2024 – III ZR 15/23
1 Sachverhalt
[1] Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines umgefallenen Straßenschildes auf Schadensersatz in Anspruch.
[2] Die Klägerin betreibt ein Autohaus in der N. in N. Im Juli 2017 hatte sie vor ihren Geschäftsräumen ein Fahrzeug abgestellt. Die Beklagte stellte in diesem Bereich auf dem Bürgersteig der N. ein Straßenschild (Zeichen 457.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) auf, das eine Umleitung ankündigte. In der Nähe standen zu diesem Zeitpunkt Bauarbeiten zur Erneuerung der Fahrbahn der Kreisstraße K5 an. Die Landesbehörde Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement (künftig: Hessen Mobil) hatte mit den Bauarbeiten die R. GmbH beauftragt, welche wiederum die Beklagte mit der Aufstellung der entsprechenden Verkehrsschilder beauftragte. Die zuständige Behörde nahm am 18.7.2017 die gesamte Verkehrsabsicherung sowie die Umleitungsbeschilderung einschließlich des vorbezeichneten Straßenschildes ab.
[3] Einen Tag später fiel dieses Schild auf das Fahrzeug, welches im vorderen linken Bereich beschädigt wurde. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ersatz von Reparatur- und Gutachtenkosten nebst einer Unfallpauschale sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte habe das von ihr aufgestellte Schild unzureichend gesichert. Sie habe nicht als Verwaltungshelferin gehandelt. Aus den vorgelegten Plänen ergäben sich weder die exakten Standorte für die Schilder noch, wie konkret sie aufzustellen und zu sichern seien. Damit verbleibe der Beklagten ein ausreichender Handlungsspielraum.
[4] Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht (LG Kassel, Urt. v. 3.11.2022 – 1 S 229/21) hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt.
2 Aus den Gründen:
[5] Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
[6] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB träten hinter einem möglichen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG zurück. Die Beklagte habe beim Aufstellen des Schildes, das das Fahrzeug beschädigt habe, in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt. Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen im Sinne von § 45 StVO sei eine hoheitliche Aufgabe. Die entsprechende Anordnung obliege gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 und 4 StVO der Straßenbaubehörde. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem hier aufgestellten Umleitungsschild um eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung handele, da damit jedenfalls verkehrsregelnde Maßnahmen im Sinne von § 45 Abs. 2 StVO getroffen würden. Danach könne die Straßenbaubehörde zur Durchführung von Straßenbauarbeiten den Verkehr umleiten. Dies sei vorliegend mit der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11.7.2017 einschließlich der anliegenden Pläne geschehen. Danach sei in der N. als erstes Schild das Zeichen 457.1 "Umleitungsankündigung" vor dem Autohaus der Klägerin anzubringen gewesen.
[7] Die Beklagte sei bei dem Aufstellen der Verkehrsschilder als Amtsträgerin im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG tätig gewesen. Aus dem von ihr vorgelegten Plan, der vorgenannten verkehrsrechtlichen Anordnung, ergebe sich, dass die Beschilderung im Bereich des Autohauses durch die Beklagte habe aufgestellt werden sollen. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6.6.2019 (III ZR 124/18, VersR 2019, 1145) könne nicht gefolgert werden, dass nur das Aufstellen von verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen eine hoheitliche Aufgabe darstelle. Zwar habe der Bundesgerichtshof sein Urteil hinsichtlich einer Geschwindigkeitsbeschränkung getroffen. Danach handele es sich jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen um eine hoheitliche Aufgabe. Diese Formulierung könne jedoch nicht als Einschränkung lediglich auf Ge- und Verbote als Verhaltensbefehle verstanden werden. Anderenfalls würde beispielsweise für ein Verkehrsschild, mit dem Einschränkungen, die aufgrund einer Baumaßnahme erfolgten, wieder aufgehoben würden, nicht mehr anzunehmen sein, dass hierbei eine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt werde. Diese Abgrenzung wäre willkürlich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch die Aufstellung des Umleitungsschildes die Befahrbarkeit der betroffenen Straße einschränke und es sich um eine verkehrsbeschränkende Verkehrsregelung handele. Selbst wenn, wi...