[10] Die Revision des Bekl. ist unbegründet. Die Annahme des OVG, dass die Kl. einen Anspruch auf die beantragte Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO), beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bekl. durfte nicht gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ihre Fahreignung verneinen, weil sie das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hatte. Das OVG hat auf der Grundlage seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung der hier gegebenen Umstände ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Bekl. die Beibringensaufforderung nicht auf § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV stützen durfte, weil die Kl. am 2.4.2015 nicht wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hatte (1. und 2.). Die Beibringensaufforderung konnte auch nicht auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden (3.). Nach den tatsächlichen Feststellungen des OVG sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt (4.). Danach erweist sich zugleich die Auferlegung von Verwaltungskosten als rechtswidrig und verletzt die Kl. in ihren Rechten (5.).
[11] 1. Maßgeblich für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Kl. auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zur Anwendung kommen damit die rechtlichen Regelungen, die auch das Berufungsgericht zugrunde zu legen hätte, wenn es zum Zeitpunkt des revisionsgerichtlichen Urteils entschiede (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 17.3.2021 – 3 C 3.20, BVerwGE 172, 18 Rn 12 m.w.N.). Anzuwenden sind daher das StVG in der Fassung v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310, 919), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geä. durch Art. 8 des Gesetzes v. 21.11.2023 (BGBl I Nr. 315), sowie die FeV v. 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung v. 20.7.2023 (BGBl I Nr. 199).
[12] Nach § 20 Abs. 1 S. 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG müssen die Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Die Eignung besitzt nach § 2 Abs. 4 S. 1 StVG sowie § 11 Abs. 1 S. 1 und 3 FeV, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die Anforderungen sind insbes. dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt, wodurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 S. 2 FeV). Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist bei Alkoholmissbrauch die Eignung ausgeschlossen; er liegt vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Von Eignung kann gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 nach Beendigung des Missbrauchs ausgegangen werden; er kann angenommen werden, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist.
[13] Gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde, bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Schluss auf die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nur gerechtfertigt, wenn die Anforderung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 4.12.2020 – 3 C 5.20, BVerwGE 171, 1 Rn 18 m.w.N.). Zu beurteilen ist dies nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15, BVerwGE 156, 293 Rn 14 und v. 4.12.2020 – 3 C 5.20, BVerwGE 171, 1 Rn 15 und 25).
[14] 2. Die Voraussetzungen des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV für die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens waren bei Ergehen der Aufforderung nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden.
[15] Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne von § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV liegen nur dann vor, wenn der Betroffene in mindestens zwei vom Geschehensablauf her räumlich und zeitlich eigenständigen deutlich voneinander abgrenzbaren Lebenssachverhalten je eine oder mehrere solche Zuwiderhandlungen begangen hat; davon ist das OVG in Übereinstimmung mit Bundesrecht ausgegangen (a). Seine tatrichterliche Würdigung, in der Unterbrechung der Fahrt durch den Einkauf im Supermarkt und in dem anschließend von der Kl. auf dem Parkplatz verursachten...