StPO § 267 § 337 § 411
Leitsatz
Eine Beweiswürdigung ist lückenhaft und daher rechtsfehlerhaft, wenn nicht mitgeteilt wird, ob bzw. wie sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hat. Das gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung in zulässiger Weise durch einen Verteidiger vertreten lässt.
(Leitsätze des Einsenders)
OLG Hamm, Beschl. v. 4.3.2008 – 3 Ss 490/07
Sachverhalt
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen versuchter Nötigung und Nötigung erlassen und eine Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25 EUR festgesetzt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Der Angeklagte hat gegen den Strafbefehl durch seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. In dem darauf bestimmten Termin zur Hauptverhandlung hat das AG den Angeklagten wegen versuchter Nötigung und Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt und dem Angeklagten für die Dauer von zwei Monaten verboten, im öffentlichen Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das LG verworfen. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung vor dem LG durch seinen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.
Auf die Revision des Angeklagten hebt das OLG das Urteil des LG mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des LG zurück.
Aus den Gründen
“ … II. … . Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist lückenhaft und hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer eingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht. Es darf die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen.
Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, NStZ 1983, 277, 278; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 337, Rn 27 m.w.N.). Eine Beweiswürdigung weist Lücken auf, wenn nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt sind, die Schlüsse zugunsten oder zuungunsten der Angeklagten zulassen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 337, Rn 29 m.w.N.).
Vorliegend ist die Beweiswürdigung lückenhaft, denn es fehlt die Mitteilung, ob bzw. wie sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hat. Prozessual (§ 267 StPO) ist zwar die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Eine solche Verpflichtung des Tatrichters ergibt sich jedoch aus der Notwendigkeit, dass das Revisionsgericht überprüfen können muss, ob die tatrichterliche Beurteilung auf rechtlich zutreffenden Erwägungen beruht. Eine entsprechende Erörterung und Würdigung ist dann notwendig, wenn das Revisionsgericht nur auf Grund dieser Grundlage nachprüfen kann, ob das materielle Recht richtig angewendet worden ist und ob die Denk- und Erfahrungssätze richtig angewendet worden sind (Senatsbeschl. v. 6.9.2007, 3 Ss 262/07; BGH NStZ-RR 1997, 172; BGH NStZ-RR 2002, 243; OLG Hamm Beschl. 21.11.2002 – 5 Ss 1016/02; KG Beschl. v. 9.10.2000 – (3) 1 Ss 154/00 – 53/00). Nur bei sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen (ein solcher liegt hier nicht vor) kann gegebenenfalls auf eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten ohne Verstoß gegen die materiellrechtliche Begründungspflicht verzichtet werden (Senatsbeschluss vom 6.9.2007, a.a.O.).
Auf Grund der im Rahmen der revisionsrechtlichen Überprüfung dem Senat allein zur Verfügung stehenden Angaben in der Urteilsurkunde ist es nicht möglich festzustellen, ob sich der Angeklagte durch seinen Verteidiger zur Sache eingelassen hat oder nicht, bzw. in welchem Umfang, und ob das LG seine Einlassung umfassend anhand der sonstigen Beweismittel gewürdigt hat.
In der Beweiswürdigung ist ausgeführt, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen denjenigen des AG entsprechen, ohne dass ersichtlich ist, ob bzw. inwieweit der Verteidiger sich für den Angeklagten dazu eingelassen hat. Weiter ist ausgeführt, dass die Feststellungen zum tatsächlichen Geschehen in objektiver Hinsicht der glaubhaften Aussage des Zeugen T entsprechen. Diese Passage lässt sowohl die Deutung zu, dass der Angeklagte sich durch seinen Verteidiger zur Sache eingelassen hat, das Gericht dieser Einlassung jedoch nicht gefolgt ist, als auch dass keine Einlassung zur Sache erfolgt ist und die Feststellungen (nur) auf der Zeugenaussage beruhen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten stattfindet oder dieser in zulässiger Weise vertreten ist.
Nach § 411 Abs. 2 StPO kann sich der Angeklagte in der Hauptverhandl...