SGB VII § 110
Leitsatz
Bei einem Rückgriff gem. § 110 SGB VII trägt der Sozialversicherungsträger die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Höhe des fiktiven zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegen den nach §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger.
BGH, Urt. v. 29.1.2008 – VI ZR 70/07
Sachverhalt
Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt den Beklagten wegen eines Arbeitsunfalls ihres Versicherten gem. § 110 SGB VII in Anspruch.
Der bei dem Beklagten beschäftigte Versicherte stürzte am 27.4.1999 aus einer Höhe von 5,5 m von einem Gerüst in eine Baugrube und verletzte sich schwer. Aus Anlass dieses Unfalls erbrachte die Klägerin Leistungen, von denen sie 36.577,03 EUR von dem Beklagten ersetzt verlangt. Die Parteien sind sich einig, dass die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 110 SGB VII wegen einer groben Fahrlässigkeit auf Beklagtenseite vorliegen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Geschädigten nicht dargelegt habe und sie auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Versicherten nicht zurückgreifen könne. Die dagegen gerichtete Berufung hatte z.T. Erfolg. Das OLG hat den Beklagten zur Zahlung von 25.000 EUR verurteilt und dem Feststellungsbegehren hinsichtlich weiterer Aufwendungen der Klägerin – bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Versicherten – entsprochen. Die weiter gehende Berufung hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Aus den Gründen
[4] “I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2007, 260 veröffentlicht ist, folgt der Rspr. des erkennenden Senats (Senatsurt. BGHZ 168, 161, 163 ff.), wonach der Sozialversicherungsträger wegen der von ihm erbrachten Aufwendungen beim Rückgriff nach § 110 SGB VII grundsätzlich auch auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten gegen den nach den §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger zurückgreifen kann. Auf Grund der unfallbedingten Verletzungen des Geschädigten sei dessen fiktiver Schmerzensgeldanspruch mit 25.000 EUR zu bemessen. Mit diesem Betrag seien die Rentenzahlungen der Klägerin für 1999/2000, 2001 und 2002 (insgesamt 19.844,90 EUR), ihr im Jahre 2002 entstandene Gutachterkosten von 436,23 EUR sowie ihre Rentenzahlungen für 2003 in Höhe von 4.718,87 EUR ausgeglichen. Dass dem Geschädigten über den Schmerzensgeldanspruch hinaus ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zustehe, habe die Klägerin, die insoweit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast treffe, nicht dargelegt. Bei einem Rückgriff gem. § 110 SGB VII trage der Sozialversicherungsträger die Beweislast hinsichtlich der Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs.
[5] II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
[6] 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass dem Geschädigten über seinen – von beiden Parteien nach Grund und Höhe nicht in Zweifel gezogenen – Schmerzensgeldanspruch hinaus ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehe. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
[7] 2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der sog. sekundären Darlegungslast verkannt. Es habe erwogen, dass der Beklagte als Schädiger die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs darzulegen und zu beweisen habe und die Klägerin insoweit eine gesteigerte, sog. sekundäre Darlegungslast treffe. Das Berufungsgericht habe dabei aber übersehen, dass die Annahme einer sekundären Darlegungslast vorliegend den – wenn auch allgemein gehaltenen – Vortrag des Beklagten voraussetze, dass dem Verletzten kein weiterer zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehe. Eine entsprechende Behauptung habe der Beklagte jedoch nicht aufgestellt. Dies trifft nicht zu. Wie die Revision selbst geltend macht, kann sich derjenige, der im Rechtsstreit eine negative Tatsache darlegen und beweisen muss, zunächst auf deren schlichte Behauptung beschränken (BGH, Beschl. v. 21.12.2006, GRUR 2007, 629, 630). Vorliegend ist dem Vortrag des Beklagten zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Anspruchshöhe i.V.m. seinem Antrag auf Klageabweisung die Behauptung zu entnehmen, dass es an einem weiteren zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Versicherten fehle. Auch hat das Berufungsgericht – von der Revision unbeanstandet – festgestellt, dass der Beklagte seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit über die bereits bezahlten Beträge hinaus bestritten habe. Dieses Vorbringen genügt grundsätzlich zur Behauptung des Nichtbestehens eines weiter gehenden Anspruchs.
[8] 3. Entgegen der Auffassung der Revision trifft die Klägerin im Streitfall allerdings nicht nur eine sekundäre Darlegungslast, sondern die primäre Darlegungs- und Beweislast.
[9] a) Die Frage, wer bei einem Rückgriff des Sozialversicherungsträgers nach § 110 SGB VII die Höh...