StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 § 13 Nr. 2c, 11 Abs. 5; FeV Anlage 4 Nr. 8.1, Nr. 8.2 Anlage 15
Leitsatz
1. Allein daraus, dass der Betroffene einmalig betrunken mit dem Fahrrad gefahren ist, kann eine mangelnde Kraftfahreignung nicht ohne weiteres gefolgert werden. Es muss vielmehr besonders begründet werden, warum künftig ein Verstoß gegen das Trennungsgebot der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV zu erwarten sein soll.
2. Soweit die Rspr. z.T. darauf abstellt, dass nicht von Bedeutung sei, ob der Betroffene sein fehlendes Vermögen, übermäßigen Alkoholkonsum und die Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, anlässlich einer Fahrt mit einem Kfz oder mit einem Fahrrad belegt habe, sondern die letztlich entscheidende Frage nach einer Verhaltensänderung sowie deren Nachhaltigkeit und Stabilität unabhängig davon, welche Art von Fahrzeug benutzt wurde, zu beantworten ist, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung auf Grund des eindeutigen Wortlauts von Ziff. 8.1. der Anlage 4 zur FeV nicht.
(Leitsätze der Schriftleitung)
VG Oldenburg, Beschl. v. 10.4.2008 – 7 B 767/08 – nicht rechtskräftig
Aus den Gründen
“ Dieser Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 2.4.2008 erhobenen Klage des Antragstellers (7 A 979/08) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.3.2008, mit dem sie dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (alte Klassen 1 + 3) entzogen hat, ist zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde – wie hier – gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Die schriftliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt auch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Wegen des herausragenden öffentlichen Interesses an der Verkehrssicherheit reicht der Hinweis darauf, dass es nicht hingenommen werden kann, jemanden, der ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, während des Klageverfahrens am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, aus (vgl. Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.6.1993, OVGE 44, 327 f.).
In materieller Hinsicht ist für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. An der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht nämlich regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse.
Hier wird die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.3.2008 voraussichtlich Erfolg haben.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 46 Abs. 1 S. 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) ist demjenigen Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Kraftfahrereignung ausgeschlossen ist. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt im Regelfall, wenn der Betroffene das Führen eines Kraftfahrzeuges und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht sicher trennen kann (Nr. 8.1 Anlage 4 zur FeV). Hierfür ist eine Verhaltensprognose erforderlich. Hierbei ist des Weiteren nach einhelliger Auffassung davon auszugehen, dass mit einer Blutalkoholkonzentration über 1,6 Promille auffällig gewordene Personen bereits über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen und doppelt so häufig rückfällig werden wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen (vgl. hierzu VG Ansbach, Beschl. v. 23.3.2007, AN 10 S 07.00527 – zitiert nach juris).
Gem. §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 2c FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr führte. Zu den Fahrzeugen i.S.d. vorgenannten Vorschrift gehören auch Fahrräder (Nds. OVG, Beschl. v. 22.11.2007, 12 PA 327/07 – V.n.b.; vgl. §§ 16, 64a StVZO). Für die Durchführung der medizinisch-psychologischen Untersuchung sowie für die Erstellung des entsprechenden Gutachtens gelten nach §§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 5...