BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Leitsatz
1) Auch beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann der Käufer, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als "Bagatellschäden" gekommen ist.
2) Zur Abgrenzung zwischen einem "Bagatellschaden" und einem Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.
3) Ein Fahrzeug, das einen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als "Bagatellschäden" gekommen ist, ist auch dann nicht frei von Sachmängeln i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, wenn es nach dem Unfall fachgerecht repariert worden ist.
BGH, Versäumnisurt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen. Mit Vertrag vom 31.3./ 8.4.2005 erwarb die Klägerin von der Beklagten einen gebrauchten Ford Cougar, Erstzulassung 24.8.1999, Laufleistung 54.795 Kilometer, zu einem Kaufpreis von 9.000 EUR. Das Bestellformular enthält folgende Rubriken, die keine Eintragungen der Parteien aufweisen:
O Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer: _________________________________________________
O Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt O ja O nein
O wenn ja, folgende: ____________________________________________
Mit Anwaltsschreiben vom 9.5.2005 erklärte die Klägerin die Anfechtung ihrer auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung und begründete dies damit, dass das Fahrzeug an der linken Tür und dem linken hinteren Seitenteil einen Karosserieschaden habe, der von der Beklagten auf zweimalige Nachfrage nicht offenbart worden sei. Die Beklagte widersprach der Anfechtung mit Anwaltsschreiben vom 13.5.2005 und erklärte, dass sie, sollte ein Sachmangel an der linken Tür vorhanden sein, einen Austausch der Tür veranlassen werde und dass sie, sofern weitere Mängel vorliegen sollten, auch insoweit zur Nachbesserung bzw. Nacherfüllung bereit sei. Die Klägerin teilte mit Anwaltsschreiben vom 18.5.2005 mit, dass sie einen Austausch der Unfalltür nicht akzeptiere, und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die Klägerin hat für die Zulassung des Ford Cougar 38,90 EUR und für das Kfz-Kennzeichen 5,60 EUR gezahlt. Für die Kfz-Steuer und die Haftpflichtversicherung hat sie 56 EUR und 436,77 EUR entrichtet. Für TÜV-Gutachten hat sie 252,76 EUR aufgewandt. Für den Kfz-Einstellplatz, auf dem sie das von ihr nicht genutzte Fahrzeug untergestellt hat, sind ihr für vier Monate Kosten in Höhe von 102,24 EUR entstanden. Die Gesamtkosten der Klägerin betragen damit 892,27 EUR.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.000 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs sowie weitere 892,27 EUR zu zahlen, und festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Das LG hat die Klage – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung von Zeugen – abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Sprungrevision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Aus den Gründen
[6] “Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
[7] I. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt:
[8] Die Klägerin könne die Beklagte nicht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 123 Abs. 1 Alt. 1, § 142 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch nehmen. Sie sei nicht berechtigt, die auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Die Beklagte habe sie nicht über die Freiheit von Unfallschäden getäuscht. Dabei sei es ohne Belang, ob die Beklagte, indem sie in dem Kaufvertragsformular die Zeile “Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer’ und die Zeile “Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt’ offen gelassen habe, konkludent erklärt habe, der Wagen weise keinen Unfallschaden auf. Denn die Klägerin habe nur erwarten dürfen, über erhebliche Unfallschäden aufgeklärt zu werden. Das Fahrzeug habe jedoch keinen über einen Bagatellschaden hinausgehenden Unfallschaden erlitten.
[9] Auf Grund der Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen sei davon auszugehen, dass der Pkw mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen streifenden Anstoß gegen die Tür links und das Seitenteil links erhalten habe; dabei seien die Tür und das Seitenteil eingebeult worden, wobei die Einbeulung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursprünglich tiefer als die bis zu 5 mm starke Schichtstärke des Spachtelauftrags gewesen sei. Die damit feststehenden Beeinträchtigungen an der Fahrzeugkarosserie begründeten indes noch keinen erheblichen Unfallschaden. Denn eine Einbeulung von...