In der Praxis sind durchaus weiterhin Bestrebungen der Haftpflichtversicherer erkennbar, in bestimmten Bereichen – z.B. bei weniger schwer wiegenden Verletzungen – selbst ein Reha-Management zu organisieren. Dagegen sprechen aus Sicht des Geschädigten insbesondere vier Gründe:
a) Unterschiedliche Interessenlage
Trotz des erfreulichen gemeinsamen Interesses des Haftpflichtversicherers wie des Geschädigten an dessen möglichst erfolgreicher Rehabilitation und der insoweit angestrebten "Win-Win-Situation" darf vor aller Euphorie ("Paradigmenwechsel: Vom Zahlmeister zum Schadenmanager") nicht der Umstand aus dem Auge verloren werden, dass sich die Interessenlage zwischen Unfallopfer und ersatzpflichtigem Schädiger grundsätzlich gegenläufig darstellt. Diese widerstreitende Interessenlage resultiert nicht allein aus der jedem Haftpflichtverhältnis immanenten Rollenverteilung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner, auf Grund derer – wie Fleischmann es formuliert hat – "Dein Unfallgegner nicht zugleich Dein Berater" sein kann. Auch konkret bezogen auf das Reha-Management sind bei genauerer Betrachtung durchaus unterschiedliche Interessen vorhanden, derer man sich stets bewusst bleiben sollte: Während der Geschädigte uneingeschränkt an einer in jeder Hinsicht optimalen medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation interessiert ist, hat der Haftpflichtversicherer bei den einzelnen Maßnahmen stets die Kosten-Nutzen-Relation im Auge zu behalten. Diese Situation kann wegen der für den Versicherer – anders als für den Geschädigten – wichtigen Aspekte der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit durchaus bei einzelnen im Raum stehenden Reha-Maßnahmen zu einem Zielkonflikt führen.
b) Beschränkungen des Selbstbestimmungsrechts des Geschädigten
Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des BGH ist der Geschädigte "Herr des Restitutionsgeschehens". Würde der Geschädigte dem Versicherer selbst das Reha-Management überlassen, wäre er unter Aufgabe seines Selbstbestimmungsrechts ungeschützt dessen Einflüssen ausgesetzt. Zudem ist zu bedenken, dass ein erfolgreiches Reha-Management verlangt, möglichst stark auf die individuelle Situation des Geschädigten einzugehen. Deren Berücksichtigung bedingt eine weitgehende Erfassung von sensiblen persönlichkeitsgeschützten Daten und Kenntnis von inneren Vorgängen, Überlegungen und Wertungen des Geschädigten, die dieser dem Schädiger niemals preisgeben müsste und würde. Daher ist bereits auf Grund der für ein erfolgreiches Reha-Management zwingend erforderlichen persönlichen Informationen ein erhebliches Vertrauen des Geschädigten in die Unabhängigkeit des Reha-Managements von den Interessen des Versicherers erforderlich. Selbst bei einer im Hause des Haftpflichtversicherers angesiedelten separaten Reha-Management-Abteilung wäre dies wegen der Nähe zu der mit der Regulierung befassten Schadenabteilung nicht mehr gegeben.
c) Persönliche Motivation und persönliches Engagement des Geschädigten
Darüber hinaus setzt eine erfolgreiche Rehabilitation eine hohe persönliche Motivation und ein starkes persönliches Engagement des Geschädigten voraus. Hierfür dürfte das Bewusstsein des Geschädigten eine große Rolle spielen, die Entscheidungen für die seinen weiteren Lebensweg maßgeblich bestimmenden Weichenstellungen selbst getroffen zu haben. Auch dieses für Motivation und Engagement so wichtige Gefühl des Geschädigten, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu handeln, verlangt eine weitestmögliche Unabhängigkeit des Reha-Managements vom Haftpflichtversicherer.
d) Image/Akzeptanz des Personenschadens-managements insgesamt
Schließlich dürfte auch vor dem Hintergrund der durchaus häufig sehr kritischen Betrachtung des Personenschadensmanagements durch Anwaltskollegen, welche die Geschädigten vertreten, die Bedeutung der – im Interesse aller Beteiligten liegenden – generellen Akzeptanz des Personenschadensmanagements nicht hoch genug einzuschätzen sein. Diese ist allein durch eine größtmögliche Unabhängigkeit des Reha-Managements vom Haftpflichtversicherer zu erreichen.
Im Ergebnis kann daher allein die Einschaltung eines personell und organisatorisch vom Haftpflichtversicherer unabhängigen Reha-Dienstes die Ansprüche an ein seriöses Personenschadensmanagement erfüllen.