BGB § 906 Abs. 2 S. 1; BBergG § 9 Abs. 1 § 114 ff.
Leitsatz
Wird durch Erschütterungen der Erdoberfläche, die durch untertägigen Bergbau hervorgerufen werden, die ortsübliche Benutzung eines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt, kommt ein Ausgleichsanspruch des Eigentümers gegen den Bergbauberechtigten, der auf Grund des ihm verliehenen Bergwerkseigentums tätig wird, nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in Betracht; diese Vorschrift wird nicht durch die Bergschadenshaftung (§§ 114 ff. BBergG) verdrängt.
BGH, Urt. v. 19.9.2008 – V ZR 28/08
Sachverhalt
Dem Kläger und seiner Lebensgefährtin gehört ein Grundstück in L (Saarland). Auf dem Grundstück wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein Wohnhaus als Südwestdeutsches Bauernhaus errichtet. Das Haus ist grundlegend saniert. Es wird von dem Kläger und seiner Lebensgefährtin bewohnt. An den Innen- und Außenwänden und an den Bodenbelägen des Hauses bildeten sich seit dem Jahr 2001 Risse, die auf den Bergbau zurückzuführen sind, den die Beklagte in der Gegend betreibt. Die Beklagte erkannte die Risse als Bergschäden an und ließ sie fortlaufend beseitigen. Sie ordnete das Gebäude in die höchste Schadensempfindlichkeitskategorie ein; solche Häuser können ab einer Schwingungsgeschwindigkeit von 3 mm/sek. beschädigt werden.
Seit dem Ende des Jahres 2000 traten in L Erderschütterungen auf, die ebenfalls auf den Bergbau der Beklagten zurückgehen. Im Jahr 2005 wurden 59 Erschütterungen von ein bis drei Sekunden Dauer, einer Stärke zwischen 1,9 bis 3,7 auf der Richterskala und einer Schwingungsgeschwindigkeit bis zu 30 mm/sek. registriert. Der Wert von 5 mm/sek. wurde dabei insgesamt zehn Mal erreicht oder überschritten. Im Februar und März 2006 wurden bei weiteren bergbaubedingten Erschütterungen Schwingungsgeschwindigkeiten von 71,28 mm/sek., 61,16 mm/sek. und 56,56 mm/sek. gemessen.
Mit der Behauptung, durch die Erschütterungen sei die Nutzungsmöglichkeit des Hauses stark eingeschränkt und die Lebens- und Wohnqualität in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, verlangt der Kläger – gestützt auf einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB – von der Beklagten aus eigenem und von seiner Lebensgefährtin abgetretenem Recht Zahlung von 2.600 EUR nebst Zinsen für die Zeit von Januar 2005 bis Januar 2006, hilfsweise bis April 2006. Dabei geht er davon aus, dass der fiktive Mietwert des Gebäudes um monatlich 200 EUR gemindert sei.
Das AG hat der Klage in Höhe von 1.100 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Das LG, dessen Entscheidung in ZfB 2008, 77 ff. abgedruckt ist, hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage vollständig abgewiesen. Mit der von dem LG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [5] „I. Das Berufungsgericht verneint den geltend gemachten Anspruch. Es meint, die durch den untertägigen Bergbau verursachten Erschütterungen gingen nicht von einem anderen Grundstück i.S.v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB aus. Zudem sei der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB subsidiär. Er scheide aus, soweit andere gesetzliche Bestimmungen den Sachverhalt abschließend regelten. So sei es hier. §§ 114 ff. BBergG enthielten eine § 906 Abs. 2 S. 2 BGB verdrängende Sonderregelung. Die dem Bergwerkseigentum mit der zwangsläufigen Folge übertägiger Einwirkungen innewohnende Berechtigung zur Bodenschatzgewinnung begründe eine die Ansprüche aus §§ 903 ff. BGB grundsätzlich ausschließende Duldungspflicht des Grundstückseigentümers.
[6] II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der von dem Kläger geltend gemachte Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kann bestehen.
[7] 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert ein Anspruch des Klägers aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht schon daran, dass die Erschütterungen nicht von einem anderen Grundstück, sondern von dem Bergwerkseigentum der Beklagten ausgehen.
[8] a) Die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Bergwerkseigentum folgt allerdings, insoweit ist der Beklagten Recht zu geben, nicht schon daraus, dass auf das Bergwerkseigentum nach § 9 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 BBergG oder, wenn es sich bei dem Bergwerkseigentum der Beklagten um ein Recht aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bundesberggesetzes handelt, nach § 149 Abs. 1 Nr. 1 BBergG i.V.m. dieser Vorschrift die für Grundstücke geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden sind, soweit das Bundesberggesetz nichts anderes bestimmt. Diese Art der Verweisung wird dann eingesetzt, wenn der Bezugstext nicht wörtlich zum Regelungsgegenstand der Verweisungsnorm passt und in der Ausgangsnorm die Notwendigkeit einer die Unterschiede zwischen der in der Verweisungsnorm behandelten und der in den in Bezug genommenen Normen behandelten Materie bedenkenden Anwendung zum Ausdruck gebracht werden soll (Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 2. Aufl., a.a.O., Rn 220). Eine in diesem Sinne entsprechende A...