RVG a.F. § 4
Leitsatz
1. Der Rechtsanwalt trägt die Darlegungs- und Beweislast für den tatsächlich erbrachten Zeitaufwand.
2. Eine Vergütungsvereinbarung, die die Abrechnung eines Stundensatzhonorars vorsieht, erstreckt sich ohne weiteres auch auf die in der Angelegenheit vor Abschluss der Vereinbarung erbrachten Stunden.
3. Die Vereinbarung einer Stundenabrechnung per angefangener Viertelstunde ist wirksam.
(Leitsätze des Bearbeiters)
OLG Schleswig, Urt. v. 19.2.2009 – 11 U 151/07
Sachverhalt
In einer gesellschaftsrechtlichen Angelegenheit hatte die Beklagte mit dem Kläger, einem Rechtsanwalt, am 27.10.2006 eine Vergütungsvereinbarung in einem vom Kläger gestellten Formularvertrag geschlossen. Danach hatte die Beklagte ein Zeithonorar von 200 EUR je Stunde unter Abrechnung nach angefangenen Viertelstunden zu zahlen. Weiter wurde ein Mindesthonorar für 4 Stunden vereinbart, nach dessen Überschreitung der Rechtsanwalt der Beklagten eine Aufstellung über die angefallene Arbeitszeit übergeben sollte. Der Kläger erstellte unter dem 30.11.2006 der Beklagten eine Zwischenabrechnung mit Zeiterfassungsblatt über 6.206 EUR. Hierbei hatte der Kläger auch 4,5 Stunden abgerechnet, die er für die Beklagte in der Angelegenheit vor Abschluss der Vergütungsvereinbarung tätig war. Nach Erhalt der Zwischenabrechnung erklärte die Beklagte die Anfechtung der Vergütungsvereinbarung und kündigte hilfsweise den Anwaltsvertrag.
Der Rechtsanwalt hat hieraufhin vor dem LG Lübeck das abgerechnete Honorar von 6.206 EUR eingeklagt. Die Beklagte hat u.a. den Anfall der abgerechneten Stunden bestritten und geltend gemacht, der Rechtsanwalt hätte ihr umgehend das Überschreiten der vereinbarten Mindestzeit von 4 Stunden anzeigen müssen, sie hätte dann das Mandat sofort gekündigt.
Das LG Lübeck hat der Klage überwiegend stattgegeben. Es hat das Zeithonorar um die vor der Vergütungsvereinbarung erbrachten 4,5 Stunden und um weitere Stunden gekürzt, die auf Grund der Zeittaktklausel berechnet worden waren.
Die gegen die teilweise Abweisung seiner Klage gerichtete Berufung des Klägers hatte vor dem OLG Schleswig Erfolg, während die gegen ihre Verurteilung gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung des berechneten Anwaltshonorars von 6.206 EUR verlangen, § 611 BGB i.V.m. der Vergütungsvereinbarung vom 27.10.2006.
1. Die Vergütungsvereinbarung ist wirksam. Die Schriftform des § 4 RVG ist beachtet. Andere Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. …
4. Die Gebührenansprüche des Klägers sind in voller Höhe des Rechnungsbetrages gegeben.
a) Es sind alle angesetzten Stunden als tatsächlich erbracht anzusehen.
Darlegungs- und beweisbelastet für das Erbringen der abgerechneten Stunden ist – entgegen seiner Auffassung – der klagende Rechtsanwalt. Das ergibt sich schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jeder die für ihn günstigen Tatsachen zu beweisen hat (entsprechend für die vorliegende Konstellation auch Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, Kommentar, 15. Aufl., § 3 Rn 9 “Vereinbarung von Stundenhonoraren’). Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Urteil des OLG Hamm vom 18.6.2002, JurBüro 2002, 638. Darin heißt es im Gegenteil gerade (zitiert nach juris Rn 9), dass die Vereinbarung eines Zeithonorars den Rechtsanwälten den Nachweis ihres tatsächlich erbrachten Zeitaufwandes auferlegt – anders war es allerdings in dem dortigen Fall eines Pauschalhonorars, dessen Unangemessenheit am Maß des Stundenaufwandes der Mandant zu beweisen hatte.
Allerdings vermag der Senat dem Vorbringen des Klägers zur Erbringung der berechneten Stunden aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung ohne weiteres zu folgen. Ob und in welchem Umfang das Bestreiten der Beklagten zulässig ist, kann dabei dahin gestellt bleiben. Denn ihr Bestreiten bleibt – ohne jede konkrete sachliche Begründung, warum auch nur eine einzige Position überhöht abgerechnet worden sein sollte – bloß formal und zielt ersichtlich allein darauf ab, den Kläger in Beweisschwierigkeiten zu bringen. Bei einem Großteil der Leistungen des Klägers – bei Telefonaten und Besprechungen – ist sie selbst beteiligt gewesen. Über andere Leistungen – die Besprechungen mit dem Adoptivsohn, dem Herrn … , ihrer Steuerberaterin und der Zeugin ist sie in den mit ihr abgehaltenen Besprechungen umgehend informiert worden. Soweit Arbeitszeiten des Klägers in Abwesenheit Dritter angefallen sind, so sind der Beklagten die Ergebnisse dieser Arbeiten ebenfalls zeitnah mitgeteilt worden, nämlich insbesondere das Ergebnis der Durcharbeitung der Unterlagen beim Gespräch am Folgetag, dem 5.11., die angefertigte Forderungsverzichtserklärung durch deren Vorlage und die Arbeiten am Gesellschaftsvertrag in der 2 ½-stündigen Besprechung vom 25. November. Den diesbezüglichen Darlegungen des Klägers hat die Beklagte weder in ihrer Berufungserwiderung noch im Termin vom 3.2.2009 ein sachliches Bedenken entgegenzustellen gewusst. Schließlich sind die jeweils an...