BGB § 249 § 254
Leitsatz
Zur Frage, ob ein vorsteuerabzugsberechtigter Geschädigter bei Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges verpflichtet ist, ein regelbesteuertes Fahrzeug zu erwerben.
BGH, Beschl. v. 25.11.2008 – VI ZR 245/07
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [1] „Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer des Schädigers in vollem Umfang aus einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug der Klägerin einen Totalschaden erlitten hat. Gem. dem nach dem Unfall eingeholten Gutachten betrug der Wiederbeschaffungswert 14.000 EUR und der Restwert 4.500 EUR, jeweils einschließlich Umsatzsteuer auf der Grundlage der Differenzbesteuerung. Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin erwarb ein gleichartiges, differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug zu einem Preis von 15.900 EUR. Das beschädigte Fahrzeug veräußerte sie für 4.500 EUR an ein Autohaus.
[2] Die Beklagte hat den Fahrzeugschaden auf der Basis eines Netto-Wiederbeschaffungswerts unter Abzug einer Umsatzsteuer von 19 % für den Wiederbeschaffungswert und den Restwert in Höhe von 7.983,20 EUR reguliert. Sie trägt vor, die Klägerin hätte ein regelbesteuertes Fahrzeug als Ersatz anschaffen müssen und könne die Umsatzsteuer nicht verlangen. Vergleichbare Fahrzeuge würden zu 30 % regelbesteuert angeboten.
[3] Das AG hat die Beklagte zur Zahlung weiterer 2.235,29 EUR verurteilt. Dagegen hat diese mit Einwilligung der Klägerin einen Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gestellt.
[4] II. Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision ist auf Grund der schriftlichen Einwilligung der Klägerin statthaft (§ 566 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), aber nicht begründet, weil die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 566 Abs. 4 ZPO).
[5] Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht zu beanstanden, dass das AG der Klägerin Schadensersatz auf der Basis eines Brutto-Wiederbeschaffungswerts von 14.000 EUR zugesprochen hat. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen nicht vor, unter denen die Rspr. angenommen hat, dass die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht vom Schädiger zu erstatten ist, soweit der Halter eines für Geschäftszwecke benutzten Fahrzeugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (vgl. Senatsurt. v. 6.6.1972 – VI ZR 49/71 – VersR 1972, 973, 974; BGH, Urt. v. 22.5.1989 – X ZR 25/88 – NJW-RR 1990, 32, 33). Die Klägerin hat ein differenzbesteuertes Fahrzeug angeschafft, sodass sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 4 Nr. 8, 14a Abs. 6, 14c, 25a Abs. 3, 4 UStG; Tipke/Lang/Reiß, Steuerrecht, 19. Aufl., § 14 Rn 144 ff.). Zudem werden selbst nach dem – bestrittenen – Beklagtenvortrag auf dem maßgeblichen Markt vergleichbare Fahrzeuge nur zu 30 % regelbesteuert angeboten. Unter diesen Umständen ist es einem Geschädigten auch im Hinblick auf eine etwaige Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) nicht zumutbar, sich ausschließlich nach einem regelbesteuerten Fahrzeug umzusehen und ein solches zu erwerben, um zur Entlastung des Schädigers die Vorsteuerabzugsberechtigung geltend machen zu können.“
2 Anmerkung
Die Änderung des § 249 BGB im Rahmen der Schadensrechtsreform zum 1.8.2002 hat für die Schadensberechnung nach einem Verkehrsunfall nicht nur für den Bereich der Abrechnung nach einer Reparatur, sondern auch für die Berechnung nach einer Ersatzbeschaffung eine Änderung mit sich gebracht. § 249 S. 2 BGB, wonach bei einer Beschädigung einer Sache der nach § 249 S. 1 BGB zu ersetzende Geldbetrag die Umsatzsteuer nur dann einschließt, wenn sie angefallen ist, hat nicht nur für den Bereich der Reparatur, sondern auch für die Ersatzbeschaffung Auswirkungen. Die Ersatzbeschaffung wird als Form der Wiederherstellung i.S.d. § 249 BGB angesehen (vgl. BGH VersR 1972, 1024; BGH NJW 1975, 1396; Gebhardt, AnwBl 2002, 320; ders., zfs 2003, 157; Riedmeyer, DAR 2003, 159), sodass es für die Frage der Ersatzfähigkeit der in dem Wiederbeschaffungspreis enthaltenen Umsatzsteuer auf deren Anfall und Bewertung ankommt. Da bei einem Kauf des Ersatzfahrzeuges von Privat Umsatzsteuer nicht anfällt, steht der gewerbliche Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen im Mittelpunkt des Interesses bei der Bestimmung der ersatzfähigen Umsatzsteuer. Im Gebrauchtwagengeschäft sieht das Umsatzsteuergesetz zwei Gestaltungen vor:
1) Bei einem Erwerb von einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen, greift nach § 10 UStG die sog. Regelbesteuerung ein. Beim Weiterverkauf an den Geschädigten weist der Händler die angefallene Umsatzsteuer offen aus. Der Geschädigte kann damit den Ersatz der Umsatzsteuer verlangen, es sei denn, er ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Vorsteuerabzugsbetrag stellt einen auszugleichenden Vorteil des Geschädigten dar, sodass er in Höhe des Vorsteuerabzugsbetrages keinen Ersatz der angefallenen Umsatzsteuer verlangen kann (vgl. BGH VersR 1972, 973 f.).
Damit vermindert sich beim Kauf eines regelbesteuerten Kraftfahrzeuges die vom Haftpflichtversicherer zu leist...