BGB § 249 S. 2 a.F. § 251 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1) Die Wiederherstellung einer Datei auf der Festplatte eines Computers i.S.d. § 249 BGB ist nur dann möglich, wenn die Dateien durch Eingabe noch vorhandener Vorlagen reproduzierbar sind.
2) Scheidet diese Möglichkeit aus, wird in der Regel die Neuschaffung nicht als Wiederherstellung anzusehen sein, vielmehr kommt entweder ein Wertersatzanspruch nach § 251 Abs. 1 BGB oder nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB in Betracht.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 9.12.2008 – VI ZR 173/07
Sachverhalt
Auf der Festplatte eines betrieblich eingesetzten Computers waren nach der Darstellung des klagenden Unternehmens in den Dateien Pläne von Steuerungsgeräten gespeichert, die über einen langen Zeitraum benötigt wurden, um vorhandene Anlagen umzubauen, zu reparieren oder neue Anlagen herzustellen.
Die Beklagte ist für den Datenverlust verantwortlich und ist von dem Kläger auf Ersatz des hieraus entstandenen Schadens in Anspruch genommen worden. Der BGH stellte in der Entscheidung die Voraussetzungen des Anspruchs auf Ersatz der Wiederherstellungskosten der Dateien wegen Störung des Betriebsablaufs und wegen betrieblicher Mehraufwendungen zur teilweisen Rekonstruktion dar.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „ … Eine Wiederherstellung von Dateien i.S.d. § 249 BGB käme – zumindest im Wege einer Ersatzbeschaffung – in Betracht, soweit die Dateien auf Grund einer in anderer Form noch vorhandenen Vorlage (z.B. durch Eingabe noch auf Papier vorhandener Konstruktionszeichnungen) “technisch’ reproduzierbar wären. Soweit dies nicht möglich ist, dürfte eine Zuerkennung von Wiederherstellungskosten i.S.d. § 249 S. 2 BGB schon gem. § 251 Abs. 1 BGB ausscheiden, denn bei qualifizierten geistigen oder schöpferischen Leistungen (“Unikaten’) ist eine Neuschaffung nicht ohne weiteres eine “Wiederherstellung’ im Rechtssinne (vgl. BGH v. 10.7.1984 – VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 88 = MDR 1984, 925; Oetker, NJW 1985, 345 f.). Soweit also eine Wiederherstellung der Dateien nicht möglich sein sollte, käme von vorneherein lediglich ein Wertersatzanspruch i.S.d. § 251 Abs. 1 BGB in Betracht, ohne dass es insoweit auf eine Unverhältnismäßigkeit der geschätzten (fiktiven) Wiederherstellungskosten i.S.d. § 251 Abs. 2 BGB – auf die das Berufungsgericht allein abgestellt hat – ankäme (vgl. BGH v. 10.7.1984, a.a.O.). Im Streitfall fehlt es bislang an ausreichenden Feststellungen, inwieweit eine Wiederherstellung möglich ist und ob von daher der Anspruch des Klägers nach § 251 Abs. 1 BGB oder nach Abs. 2 dieser Vorschrift zu beurteilen ist.
Selbst wenn die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB vorlägen, wovon das Berufungsgericht auszugehen scheint, wäre die Bewertung der durch den Datenverlust eingetretenen Vermögenseinbuße des Klägers durch das Berufungsgericht mit “Null’ – Entsprechendes gilt im Falle des § 251 Abs. 1 BGB – nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar geht es in beiden Fällen um eine vom Tatrichter gem. § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung, die nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Es ist jedoch revisionsrechtlich überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt hat (vgl. BGH v. 8.12.1987 – VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330 = MDR 1988, 396; v. 9.7.1984 – KRB 1/84, BGHZ 92, 84, 86 f. = MDR 1984, 958). Das ist hier der Fall. Soweit der Anspruch nach § 251 Abs. 2 BGB zu beurteilen ist, macht die Revision mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht die hierfür geltende Darlegungs- und Beweislast verkannt hat.
Nach § 251 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die dem Schuldner durch § 251 Abs. 2 BGB eingeräumte Ersetzungsbefugnis hat lediglich den Zweck, die Höhe der Ersatzpflicht nach oben zu begrenzen, wenn dem Schädiger eine Naturalrestitution i.S.d. § 249 BGB wegen unverhältnismäßiger Kosten im Vergleich zum Wert der Sache unzumutbar ist (vgl. BGHZ 63, 295, 297; BGH, Urt. v. 17.11.1961 – VI ZR 66/61 – VersR 1962, 137; v. 20.6.1972 – VI ZR 61/71 – VersR 1972, 1024 f.; Urt. v. 5.4.1990 – III ZR 213/88, MDR 1991, 32 = NJW-RR 1990, 1303). Der Geschädigte muss sich in diesen Fällen an Stelle der Restitution mit einer Kompensation durch einen Wertausgleich seines Schadens zufrieden geben (vgl. BGHZ 63, 295, 297). Will der Schädiger mit seiner Ersetzungsbefugnis aus § 251 Abs. 2 S. 1 BGB den vom Geschädigten geltend gemachten Anspruch auf Naturalrestitution aus § 249 BGB wegen Unverhältnismäßigkeit auf den Wertersatz begrenzen, trägt er nach allgemeinen Grundsätzen – weil für ihn günstig – die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. Oetker, in MüKo-BGB, 5. Aufl., § 251 Rn 73; Erman/Kuckuk, BGB, 11. Aufl., § 251 Rn 28; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., § 5 VI...