VVG §§ 16 ff. a.F.
Leitsatz
Dem Versicherer ist das Wissen des mit der Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses beauftragten Arztes nur insoweit zuzurechnen, als dieser es durch den Antragsteller im Rahmen der "Erklärung vor dem Arzt" erlangt hat (Fortführung des Senatsurteils vom 7.3.2001 – IV ZR 254/00 – VersR 2001, 620). Eine weiter gehende Zurechnung von Wissen, das sich für den Arzt aus früheren Untersuchungen oder Behandlungen ergeben hat, kommt nicht in Betracht.
BGH, Urt. v. 11.2.2009 – IV ZR 26/06
Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein mit der Beklagten geschlossener Lebensversicherungsvertrag mit BU-Zusatzversicherung trotz Rücktrittserklärung der Beklagten fortbesteht.
Am 26.10.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Kapitallebensversicherung unter Einschluss einer BU-Versicherung. Zu der im Antragsformular gestellten Frage nach Gesundheitsstörungen und Behandlungen in den zurückliegenden fünf Jahren war die Antwort "ja" angekreuzt und "Magenspiegelung 03.1999 wegen nervöser Magenbeschwerden" hinzugesetzt; als behandelnder Arzt war der Hausarzt des Klägers, Dr. H, genannt. Die Beklagte holte bei Dr. H ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand des Klägers ein. In Abschnitt I dieses Zeugnisses unter der Überschrift "Erklärungen vor dem Arzt" – die Erklärung bestand ferner aus dem – für den ärztlichen Befund bestimmten – Abschnitt II mit der Überschrift "Untersuchungsbefund" – wurde die Frage, ob in den letzten zehn Jahren Krankheiten, Störungen oder Beschwerden bestehen oder bestanden, bejaht und durch den Zusatz "chronische Gastritis, Zustand nach Ulcus ventriculi 3/99" näher erläutert. Die Frage, ob andere als die bereits benannten Ärzte den Antragsteller in den letzten fünf Jahren untersucht oder behandelt hätten, wurde ebenso verneint wie die Frage nach Krankenhaus- oder Heilstättenbehandlungen bzw. Kuren. Die Erklärung in Abschnitt I wurde vom Kläger unterzeichnet. Am 2.3.2004 beantragte der Kläger Leistungen aus der BU-Versicherung wegen schwerer Kniegelenksarthrose sowie Arthrose der Lendenwirbelsäule. Bei der Bearbeitung dieses Antrages erfuhr die Beklagte, dass der Kläger vom 9. bis zum 30.5.2001 u.a. wegen eines psycho-physischen Erschöpfungszustandes mit vegetativer Dysregulation eine Kur in einer Rehabilitationsklinik absolviert hatte; Grundlage der Bewilligung dieser Kur war ein Befundbericht des Hausarztes Dr. H. Dieser hatte in seinem Bericht folgende Diagnose gestellt: "1. Psychovegetativer Erschöpfungszustand mit veget. Dysregulation 2. chronische Gastritis, Zustand nach Ulcera ventriculi 3. chronisch-obstruktive Lungenerkrankung 4. Adipositas." Die Beklagte erklärte daraufhin den Rücktritt vom Vertrag und focht ihn außerdem an.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [7] „II. 1. Die Feststellung des BG, der verschwiegene Kuraufenthalt des Klägers stelle einen gefahrerheblichen Umstand dar, beruht nicht auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast.
[8] a) Nach dem vegetativen Erschöpfungssyndrom, das (auch) Anlass für den Kuraufenthalt war, war der Kläger bereits durch die auch für ihn erkennbar weit gefasste Frage zu Ziff. 2c der “Erklärungen vor dem Arzt’ nach Gesundheitsstörungen gefragt. Unmittelbar auf den Kuraufenthalt zielte die ausdrückliche Frage zu Ziff. 12b nach Heilstättenbehandlungen und Kuren. Dem verschwiegenen Umstand der dreiwöchigen Kur und der zu Grunde liegenden Diagnose kommt daher die Vermutung der Gefahrerheblichkeit zu (§ 16 Abs. 1 S. 3 VVG a.F.). Zwar kann der Versicherungsnehmer, dem hinsichtlich der fehlenden Erheblichkeit erfragter Umstände die Darlegungs- und Beweislast obliegt, dieser nach der Rspr. des BGH zunächst allein dadurch genügen, dass er die Gefahrerheblichkeit pauschal bestreitet (Senat VersR 2000, 1486 unter 1b bb). Der Versicherer muss aber seinerseits seine Grundsätze der Risikoprüfung nur dann substantiiert darlegen, wenn die Gefahrerheblichkeit nicht ohnehin auf der Hand liegt. Der Versicherer ist also nur dann gehalten, seine Risikoprüfungsgrundsätze offen zu legen, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers hinsichtlich des auf Dauer angelegten Versicherungsvertrages von Bedeutung sein könnte ( … ).
[9] b) Danach liegt, anders als die Revision meint, die Gefahrerheblichkeit des dreiwöchigen Kuraufenthalts wegen eines psychovegetativen Erschöpfungszustandes hier auf der Hand. Zwar hat das BG nicht erörtert, ob Gefahrerheblichkeit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der vom Kläger genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bestand, sondern auch im Hinblick auf die Kapitallebensversicherung. Nach den dazu vom BG getroffenen Feststellungen ist jedoch die Gefahrerheblichkeit für den Versicherungsvertrag insgesamt zu bejahen. Schon die wegen eines Erschöpfungssyndroms absolvierte dreiwöchige Kur in einer Rehabilitationseinrichtung ist – vor dem ...