RL 91/439/EWG Art. 1 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 2 und 4; FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3, Satz 2
I. Dem Europäischen Gerichtshof wird gem. Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG dahingehend auszulegen, dass ein Aufnahmemitgliedstaat berechtigt ist, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen, wenn auf Grund von Angaben in diesem Führerschein ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie feststeht, ohne dass zuvor der Aufnahmemitgliedstaat eine Maßnahme im Sinn des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG auf den Inhaber des Führerscheins angewendet hat?
II. Das Berufungsverfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagefrage ausgesetzt.
Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.3.2010 – 11 BV 09.2752
Aus den Gründen:
“I. Die 1955 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in V.-T. in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wendet sich gegen die Untersagung, von ihrem tschechischen Führerschein im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, und die Verpflichtung, diesen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung vorzulegen.
Die Klägerin war bisher nicht in Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis. Auf Grund einer Vorsprache der Klägerin wurde der Fahrerlaubnisbehörde bekannt, dass sie seit dem 31.5.2006 eine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B besitzt. Der tschechische Führerschein wurde ausgestellt vom Magistrat Plzen, in seiner Rubrik 8 ist als Wohnort eingetragen ‘V.-T., SPOLKOVÁ REPUBLIKA NEMECKO’.
Mit Schreiben vom 3.4.2009 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Klägerin dazu auf, den tschechischen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung in Deutschland vorzulegen, und hörte sie zum Erlass eines Aberkennungsbescheids an. Die Klägerin schlug daraufhin vor, ihr die Berechtigung zur Benutzung ihres tschechischen Führerscheins auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu erteilen. Eine entsprechende Zuerkennung müsse möglich sein, da es bei ihr seit dem Erwerb der tschechischen Fahrerlaubnis zu keinen Auffälligkeiten im Straßenverkehr, insbesondere nicht zu Eintragungen im Verkehrszentralregister gekommen sei.
Die Fahrerlaubnisbehörde lehnte diesen Vorschlag ebenso ab wie die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis unter der Voraussetzung, dass von neuerlichen Prüfungen abgesehen werde.
Am 3.6.2009 erließ die Fahrerlaubnisbehörde einen Bescheid, mit dem der Klägerin untersagt wurde, von ihrem tschechischen Führerschein in Deutschland Gebrauch zu machen (1.), und sie verpflichtet wurde, den tschechischen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung vorzulegen (2.). Für den Fall der Nichtvorlage wurde die Einziehung des Führerscheins angedroht.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 1.6.2009 Klage zum VG Bayreuth mit dem Antrag, den Bescheid vom 3.6.2009 aufzuheben (1.) und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine Nutzungsberechtigung ihres tschechischen Führerscheins der Klasse B auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuzuerkennen, hilfsweise, ihr einen deutschen Führerschein der Klasse B auszustellen (2.).
Mit Urt. v. 22.9.2009 hob das VG den Bescheid vom 3.6.2009 auf und wies die Klage im Übrigen ab. Die Klage sei mit dem Anfechtungsantrag zulässig und begründet. Für die gerichtliche Entscheidung sei maßgeblich darauf abzustellen, ob die Nichtanerkennung der tschechischen EU-Fahrerlaubnis der Klägerin sowohl auf Grund von § 28 Abs. 4 FeV a.F. und Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG als auch nach § 28 Abs. 4 FeV n.F. und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG rechtmäßig habe erfolgen können. § 28 Abs. 4 FeV a.F. müsse europarechtskonform so ausgelegt werden, dass die Nichtanerkennung einer Fahrberechtigung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf Grund eines ausländischen EU-Führerscheins nicht allein auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip gem. § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV a.F. gestützt werden könne, sondern nur erfolgen dürfe, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV a.F. erfüllt seien. Gleiches gelte auch für die Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV n.F. und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG, da auch Art. 11 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie voraussetze, dass der Führerschein der betreffenden Person im Hoheitsgebiet des nichtanerkennenden Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden sei. Der angefochtene Bescheid vom 3.6.2009 sei somit als rechtswidrig aufzuheben.
Hinsichtlich von Haupt- und Hilfsantrag in Ziffer 2 der Klageschrift sei die Klage bereits unzulässig.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte die vom VG zugelassene Berufung ein mit dem Antrag, das Urteil des VG aufzuheben, soweit darin die Klage nicht abgewiesen wurde, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Inl...