„Der vorliegende Antrag ist gem. § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet.
Die vom Antragsteller formulierten Anträge bedürfen zunächst der Auslegung. Dabei ist das Gericht nicht an die formale Fassung der Anträge gebunden (§ 88 VwGO) und insb. bei juristischen Laien gehalten, diese sachdienlich und nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel auszulegen. Die Kammer geht in Folge dessen davon aus, dass Haupt- und Hilfsantrag ein einheitliches Rechtsschutzbegehren darstellen. Dieses ist erkennbar darauf gerichtet, eine gerichtliche Entscheidung über die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die im Tenor bezeichneten Verkehrszeichen (1.) und die vorläufige Aufhebung der Vollziehung zu erreichen (2.).
(1.) Der Antrag ist gem. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, denn Verkehrszeichen sind – im Gegensatz zu der ihnen zugrunde liegenden verkehrlichen Anordnung – Verwaltungsakte in Gestalt von Allgemeinverfügungen, die in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.9.1993 – 11 C 37.92 und Beschl. v. 26.1.1988 – 7 B 189.87, Juris).
Trotz des Erfolgs des Antragstellers in dem von ihm gegen die streitbefangene Geschwindigkeitsbeschränkung durchgeführten Widerspruchsverfahren besteht vorliegend ein Rechtsschutzinteresse auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
Denn über den Widerspruch des Antragstellers ist mangels Bestandskraft des Widerspruchsbescheids v. 8.12.2010 noch nicht abschließend entschieden. Damit behalten die streitbefangenen Verkehrsschilder ihre sofortige Vollziehbarkeit, solange die Klageverfahren der Beigeladenen gegen den Widerspruchsbescheid (1 K 37 und 38/11.NW) nicht rechtskräftig abgeschlossen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.1.1983 – 8 C 78 und 79/81, juris; dort zur sofortigen Vollziehbarkeit eines Erschließungsbeitragsbescheides trotz dessen noch nicht bestandskräftiger Aufhebung durch einen Widerspruchsbescheid).
Bei der Prüfung der Begründetheit des somit zulässigen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die gebotene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an einer weiteren sofortigen Vollziehbarkeit der in Folge der verkehrlichen Anordnung vom 18.8.2010 aufgestellten Verkehrszeichen mit dem privaten Interesse des Antragstellers, von einer Vollziehung verschont zu bleiben, führt zu der begehrten Anordnung. Denn die Aufstellung der Verkehrszeichen 274-57 (70 km/h) StVO ist nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung offensichtlich rechtswidrig.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht vorab auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Antragsgegnerin vom 8.12.2010.
Ein auf § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO gestützter Modellversuch setzt eine Gefahrenlage voraus, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 Abs. 1 bis 8 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (VGH Bayern, Beschl. v. 7.12.2006 – 11 CS 06.2450, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.10.2003 – 8 B 468/03, juris; VG Koblenz, Urt. v. 19.4.1993 – 3 K 748/92, juris). Indem § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO den Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 S. 1 StVO konkretisiert, setzt ein Modellversuch dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung des angestrebten Ermittlungsziels voraus (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.12.1995 – 25 B 2750/95, juris). Dabei dürfen nicht hinsichtlich der konkreten Gefahr Zweifel bestehen, sondern nur hinsichtlich der geeigneten zu ergreifenden Maßnahmen (Hentschel, Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, § 45 Rn 32). Allein die Absicht der Straßenverkehrsbehörde, im Rahmen des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO zu erproben, ob eine Gefahr im vorstehenden Sinne besteht, wird von dieser Norm nicht gedeckt. Es genügt deshalb nicht, dass die Straßenverkehrsbehörde eine Gefahr nur vermutet und durch den Verkehrsversuch Aufschluss darüber erlangen will, ob sie tatsächlich gegeben ist. Denn einen Gefahrenerforschungseingriff ermöglicht § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO nicht (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 7.12.2006, a.a.O.).
Die Durchführung eines Modellversuchs setzt daher vor der verkehrsbehördlichen Anordnung ein folgerichtiges, systematisches Vorgehen der Straßenbehörde voraus. Dies erfordert in der Regel eine sorgfältige Bestandsaufnahme und Bewertung derjenigen Umstände, die die als korrekturbedürftig eingeschätzte Situation begründen und diejenigen verkehrsregelnden Maßnahmen aufzeigen, die geeignet und erforderlich sein können, die Situation auf Dauer zu beseitigen oder zu entschärfen. Erst in diesem Stadium der Planung verkehrsrechtlicher Regelungen kommt die Durchführung eines Verkehrsversuchs als Voraussetzung für eine endgültige Regelung unter Berücksichtigung der Folgen der veränderten Situation in Betracht. Das verbietet es, nach dem Prinzip von “Versuch und Irrtum’ im Sinne einer freien, voraussetzungslos anwendbaren Experimentierklausel verkehrsregelnde Maßnahmen zur Probe zu treffen, auch wenn...