ZPO § 379 S. 2 § 402
Leitsatz
Eine Verzögerung des Verfahrens durch die nicht fristgerechte Einzahlung eines Vorschusses im Sinne des § 379 S. 2 ZPO kann in Anwendung der vom BGH für die Präklusion von verspätetem Parteivorbringen entwickelten Grundsätze nicht angenommen werden, wenn die verspätete Zahlung nicht kausal für eine Verzögerung ist. Das ist der Fall, wenn das Verfahren bei Durchführung der Beweisaufnahme nicht länger dauern würde, als es bei rechtzeitiger Einzahlung des Vorschusses gedauert hätte.
BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – VII ZR 155/09
Sachverhalt
Die Kl. hat die Bekl. auf Zahlung von Werklohn in Anspruch genommen. Das LG ordnete zur Klärung des Umfangs der von der Kl. erbrachten Leistungen die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an und machte die Beauftragung des Sachverständigen von der Einzahlung eines Auslagenvorschusses durch die beweisbelastete Kl. abhängig. Die Kl. zahlte den Vorschuss ein. Nach der Durchführung eines Ortstermins zeigte der Sachverständige dem Gericht an, dass die Kosten der Begutachtung deutlich über dem angeforderten und gezahlten Vorschussbetrag lägen. Das LG forderte daraufhin die nicht gedeckte Differenz nach und setzte der Kl. eine Frist für die Einzahlung des Weiteren Auslagenvorschusses bis zum 18.7.2008. Nachdem der Vorschuss bis zu diesem Termin nicht eingezahlt worden war, bestimmte das LG am 28.7.2008 auf den 23.9.2008. Der weitere Vorschuss ging am 7.8.2008 bei Gericht ein. Im Termin v. 23.9.2008 vernahm das LG Zeugen und hörte den Sachverständigen an. Die Bekl. wurde sodann zur Zahlung eines Betrages von ca. 1.500,– EUR verurteilt; die Klage wurde im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Kl. hinsichtlich der für die Restforderung maßgeblichen Umstände beweisfällig geblieben sei. Die Einholung des hierzu erforderlichen schriftlichen Sachverständigengutachtens lehnte das LG mit der Begründung ab, dass die Kl. den weiteren Vorschuss nicht fristgerecht eingezahlt habe. Die Entscheidung sei damit gem. §§ 379 S. 2, 402 ZPO ohne die Einzahlung des Gutachtens zu treffen gewesen, weil das Verfahren im Hinblick auf die verspätete Einzahlung des Weiteren Kostenvorschusses andernfalls verzögert worden wäre.
Das BG wies die Berufung der Kl. zurück und ließ die Revision nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[4] „Die Beschwerde der Kl. gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das BG zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.
[5] 1. Das BG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das LG habe die Fortsetzung der Begutachtung von der Einzahlung eines weiteren Vorschusses abhängig machen dürfen. Nicht zu beanstanden sei, dass das LG am 28.7.2008 den Verhandlungstermin bestimmt und mitgeteilt habe, die Beweisaufnahme werde abgebrochen. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei der Rechtsstreit zur Entscheidung reif gewesen. Aus dieser Situation sei die Frage der Verzögerung durch den erneuten Einstieg in die Beweisaufnahme zu beantworten. Diese läge nach dem absoluten Verzögerungsbegriff vor, weil der Verhandlungstermin nach Einzahlung des Vorschusses auf einen späteren Termin hätte verlegt werden müssen, der dem Sachverständigen das Erstellen des Gutachtens und die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs zu seinen Feststellungen gegeben hätte. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Nach der Rspr. des BVerfG (BVerfGE 75, 302) sei eine Präklusion nur zulässig, wenn sich ohne weitere Erwägung aufdränge, dass das Verfahren früher beendet werde, als dies bei einem ungestörten Verlauf zu erwarten wäre. Das sei hier der Fall. Einer Beweisaufnahme in der zweiten Instanz bedürfe es nicht. Es könne dahinstehen, ob das in der ersten Instanz aus den genannten Gründen nicht erhobene Beweismittel als neu im Sinne des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO anzusehen ist. Die Kl. sei mit ihrem Beweisangebot im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Der Umstand, dass der Vorschuss nicht rechtzeitig eingezahlt worden sei, beruhe auf grober Nachlässigkeit.
[6] 2. Damit lässt das BG unter Verstoß gegen den Anspruch der Kl. auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein entscheidungserhebliches Beweisanerbieten unberücksichtigt. Die Weigerung des BG, das beantragte Sachverständigengutachten im Berufungsverfahren einzuholen, führt zu einer Rechtsanwendung, die der Kl. das Recht verweigert, mit ihrem Beweisantrag Gehör zu finden. Das BG hätte entweder gem. § 538 Abs. 1 ZPO selbst neue Feststellungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen oder gem. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO die Entscheidung des LG aufheben und die Sache zu eben diesem Zweck zurückverweisen müssen.
[7] a) Das BG verkennt grundlegend die Voraussetzungen für eine Verfahrensverzögerung im Sinne des § 379 S. 2 ZPO. Insoweit sind die von der Rspr. entwickelten Grundsätze zur Präklusion von Parteivortrag od...