[12] „1. Das BG hat der Kl. zu Unrecht einen Anspruch auf Krankentagegeld für den streitgegenständlichen Zeitraum mit der Begründung versagt, sie hätte ihren Beruf an einem “konfliktfreien’ Arbeitsplatz ausüben können. Damit hat es von der Kl. eine in der Krankentagegeldversicherung nicht vorgesehene Wahl eines anderen Arbeitsplatzes verlangt.
[13] a) In der Krankentagegeldversicherung setzt der Eintritt eines Versicherungsfalles neben der medizinisch notwendigen Heilbehandlung eine in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit voraus (§ 1 Abs. 2 S. 1 MB/KT). Arbeitsunfähigkeit liegt gem. § 1 Abs. 3 MB/KT vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese Definition der Arbeitsunfähigkeit knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten an. Dementsprechend bemisst sich die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung, selbst wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben kann (Senat VersR 2009, 1063 Rn 11 m.w.N.). Daher ist der Versicherer nicht berechtigt, den VN auf so genannte Vergleichsberufe oder gar auf sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten zu verweisen (Senat a.a.O. und VersR 1997, 1133 unter II 2b). Selbst wenn der Versicherte mindestens 50 % der von seinem Berufsbild allgemein umfassten Tätigkeit noch ausüben kann, muss er sich nicht darauf verweisen lassen, eine seinen verbliebenen beruflichen Fähigkeiten entsprechende andere Arbeit aufzunehmen. Hingegen ist der Versicherte nicht arbeitsunfähig, wenn er gesundheitlich zu einer – wenn auch nur eingeschränkten – Tätigkeit in seinem bisherigen Beruf im Stande geblieben ist (Senat a.a.O. und VersR 1993, 297 unter II 1). Ob der Versicherte seinem Beruf nicht mehr in der bisherigen Ausgestaltung nachgehen kann, ist durch einen Vergleich der Leistungsfähigkeit, die für die bis zur Erkrankung konkret ausgeübte Tätigkeit erforderlich ist, mit der noch verbliebenen Leistungsfähigkeit festzustellen (Senat VersR 2009, 1063).
[14] b) Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit ist der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung (Senat a.a.O. Rn 12). Mit Blick darauf kann der Krankentagegeldversicherer von dem Versicherten, der durch besondere Umstände an seinem bisherigen Arbeitsplatz krank geworden ist, nicht einen Wechsel des Arbeitsplatzes, die Wahl eines anderen Arbeitsumfeldes oder arbeitsrechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber verlangen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Versicherte – wie die Kl. – an seinem Arbeitsplatz einer tatsächlichen oder von ihm als solcher empfundenen Mobbingsituation ausgesetzt sieht, hierdurch psychisch und/oder physisch erkrankt ist und infolgedessen seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben kann. Auch in einem solchen Fall sind die genannten Voraussetzungen eines Versicherungsfalles erfüllt (so auch OLG Celle, Urt. v. 12.5.2010 – 8 U 216/09, juris Rn 24 ff., mit zust. Anmerkung Rogler, jurisPR-VersR 8/2010 Anm. 3 unter C 5, durch Senatsurt. v. heutigen Tage – IV ZR 137/10 – bestätigt). Die Arbeitsunfähigkeit entfällt nicht deshalb, weil der Versicherte bei Bereinigung der Konfliktsituation an seinem konkreten Arbeitsplatz oder durch einen Wechsel seines Arbeitsplatzes wieder arbeitsfähig wäre. Auf die Möglichkeiten des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung seiner bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit in der konkreten Ausgestaltung nicht nachgehen kann. Bei einem weiter gehenden Verständnis des Begriffs der beruflichen Tätigkeit wäre der Versicherte zu einem Arbeitsplatzwechsel gehalten, der ihm aber auch als Obliegenheit auf der Grundlage des § 9 Abs. 4 MB/KT nicht abverlangt wird (so auch OLG Celle a.a.O. Rn 29; Rogler, a.a.O. unter C 4).
[15] c) Es handelt sich nicht um eine bloße “Arbeitsplatzunverträglichkeit’, wenn die zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung der versicherten Person durch Umstände an ihrem bisherigen Arbeitsplatz verursacht oder verstärkt worden ist (so aber außer dem BG: OLG Celle VersR 2000, 1531, 1532; OLG Oldenburg Beschl. v. 15.5.2006 – 3 U 110/05, n.v., zitiert nach Rogler a.a.O. unter C 2; LG Bremen NJOZ 2004, 656, 657; MüKo-VVG/Hütt, § 192 Rn 151 … ). Vielmehr kann der Versicherte auch dann arbeitsunfähig i.S.v. § 1 Abs. 3 MB/KT sein, wenn die seine Erkrankung auslösenden Umstände mit seinem bisherigen Arbeitsplatz zusammenhängen.
[16] Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten VN ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 und 3 MB/KT nicht, dass es auf die Ursache der Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, ankommen soll. Insb. ist für den durchschnittlichen VN nicht erkennbar, dass psychische und physische Erkrankungen ausgeschlossen sein sollen, wenn sie durch so genan...